BRD 2013 Regie: David Wnendt, mit Carla Juri, Christoph Letkowski, Meret Becker, Axel Milberg, Marlen Kruse, 105 Min. FSK: ab 16
Nein, kein Skandal, keine Schweinerei, kein Pfui-Igitt-Igitt: „Feuchtgebiete" ist ein nettes, spaßiges Filmchen für alle, denen nicht die Verbindung zum eigenen Körper und seinen Ausscheidungen komplett wegerzogen wurde. Während der übermäßige Umgang mit letzteren provokant und trotzdem nicht schamlos inszeniert wurde, bleibt die eigentliche Geschichte dahinter zu dünn.
„Feuchtgebiete" ist eine ZDF-Koproduktion, da ist es wenig überraschend, dass es um Hämorriden geht, gegen die der Senioren-Sender sicher gut Werbung schalten kann. Aus den Kritiken zu Charlotte Roches Roman „Feuchtgebiete" weiß sicher jeder, dass sich die Protagonistin Helen (Carla Juri) bei der Schamrasur böse verletzt und im Krankenhaus der Entlassung verweigert - notfalls durch Selbstverstümmelung an der gerade verheilten Anal-Wunde. Mehr erzählen wird allerdings über die mangelnde Intim-Hygiene der jungen Skaterin Helen. Wenn sie anfangs zum Applizieren einer Hämorriden-Salbe buchstäblich in eine überschwemmte öffentliche Toilette „eintaucht", mit den Pobacken - und dem Dazwischen - aufwischt, was andere mit Hygiene-Tüchern und Desinfektions-Sprays eifrigst entfernen, dann reizen die „Feuchtgebiete" mal direkt ein paar Ekels-Grenzen aus.
Doch wie die Kniebeuge in der ersten Einstellung in Nahaufnahme mit gekonnter Ironie etwas ganz anderes suggeriert, ist auch später im Film alles halb so schmierig. Das zwanghafte Herausfordern der eigenen Abwehrkräfte geht einher mit sympathisch zwanglosem Verhältnis zum eigenen Körper und der eigenen Lust. „Ficken und Avocado-Bäume züchten" bezeichnet Helen als ihre Hobbies - so erlebt sie auch sexuell mehr, als das ZDF ansonsten in einem Jahr versendet. Glücklich ist sie dabei aber nur zeitweise, denn Nebeneffekt des Aufenthalts im Krankenhaus soll auch eine Zusammenführung der geschiedenen Eltern sein.
Die sind mit Meret Becker als hygienisch überspannte Gottesanbeterin und Axel Milberg als über-potentem Lebemann erstklassig besetzt. Carla Juri passt als Helen in diesen schnellen, witzigen und mit klarem Ziel provozierenden Film. Nebenbei beeindruckt die junge Tessinerin auch damit, wie sie stimmlich die Übermutter dieser Geschichte, Charlotte Roche, imitiert. Vor allem aber Regisseur David Wnendt, der schon mit „Die Kriegerin" für Aufsehen sorgte, ist zu danken, dass aus der Vorlage Roches, den Erwartungen und dem Skandalisierungs-Potential ein anständiger, witzig unanständiger Film wurde. Nur wer selber noch nie auf Toilette war oder Durchfall hatte, könnte hier schockiert sein. Dass unsere westliche Gesellschaft vielleicht zu viel verschließt, wenn sie auf dem Örtchen hinter sich abschließt, ist Roches dabei ausgetestete These, die nicht nur Urin und Kot, sondern durchaus auch Hand und Fuß hat. Dass Helen dabei ein Trauma bewältigen muss, ist die etwas dünne Geschichte hinter dem lauten, aber nicht sinnlosen Fäkal-Spaß.