12.8.13

Camille - Verliebt nochmal!

Frankreich 2012 (Camille redouble) Regie: Noémie Lvovsky, mit Noémie Lvovsky, Samir Guesmi, Judith Chemla, Yolande Moreau, Michel Vuillermoz, Denis Podalydès, Jean-Pierre Léaud, Mathieu Amalric, 115 Min.

Spätestens wenn der Schauspieljob nur noch ein Aushilfs-Splatter ist, der Ehemann Eric nach 25 Jahren geht und man auch noch die gemeinsame Wohnung verlassen soll, taucht sicher ein Gedanke auf: „Was habe ich bloß falsch gemacht, was hätte ich anders machen sollen?" Die Schauspielerin Camille Vaillant (Noémie Lvovsky) hätte vielleicht schon früher mal drüber nachdenken und weniger oft zur Flasche greifen sollen. Doch jetzt ist es zu spät, jetzt ist Silvester 2011. Aber wenigstens sind die Freundinnen zum wilden Feiern da. Punkt Mitternacht jedoch fällt Camille in Ohnmacht und wacht 25 Jahre früher als Teenager wieder auf...

Es ist das Jahr 1985 und in einem Jahr wird Francis Ford Coppola „Peggy Sue hat geheiratet" auf die Leinwand bringen. Einen Film mit dem gleichen Idee, aber während Kathleen Turner mit viel Schminke zum Teenager wird und ähnliche Filme zwei Schauspielerinnen einsetzen, spielt Noémie Lvovsky einfach ihr jüngeres Ego. Und das funktioniert vortrefflich: „99 Luftballons" auf Sonys Walkman, dazu die Klamotten und Autos der 80er. Als sehr passender Anachronismus läuft „One day baby, we'll be old" von Asaf Avidan. Sehr amüsiert verfolgt die (Erfahrungs-) reife Camille die Rituale der Schule bis sie beim Nachsitzen ausgerechnet Eric (Samir Guesmi) begegnet. Noch verletzt von der zukünftigen Trennung, geht sie ihm aus dem Weg, doch bei der Bühnenprobe zu Goldonis „Die Verliebten" kann sie ihm nicht mehr ausweichen.

Jetzt ist auch die erwachsene Camille tatsächlich verwirrt: Zerstört das Leben die Liebe oder die Liebe das Leben? Soll sie auf Erics deutliche Avancen während der Party eingehen, der ein erster, umwerfender Kuss folgen wird. Noch mal 25 Jahre große Liebe erleben und dann wieder die große Enttäuschung? Zudem wird Camilles Mutter wahrscheinlich in 39 Tagen an einem Hirnschlag sterben und die Tochter versucht, das zu verhindern.

„Camille - Verliebt nochmal!" ist eine mehr als charmante, reizende sowie sympathische Komödie und dabei ein poetisches Gedankenspiel. Camille glaubt nach Scheidung und miesem Verlauf der Schauspiel-Karriere, das Leben sei mit 40 vorbei. Dabei - auch das vermittelt der Film sehr schön - beginnt es gerade. Das Gewinnende verdankt der Film vor allem dem mehrfach überzeugenden Spiel von Autorin („Clubbed to Death", 1996), Regisseurin („Vergiß mich!", 1994) und Hauptdarstellerin Noémie Lvovsky. Die lebenslustige 48-Jährige macht ohne Schminke oder Tricks glauben, dass sie 16 Jahre alt ist. Dabei ist herzzerreißend, wie ihre Camille den Tod ihrer Mutter zu verhindern sucht. Als Dessert gibt es zwei großartige Schauspieler als Eltern dazu: Yolande Moreau und Michel Vuillermoz. In kleinen Nebenrollen sieht man Jean-Pierre Léaud als alten Uhrmacher, der geheimnisvoll weise verkündet, dass die Abwesenheit verstorbener Eltern eine Leere erzeugt, die einen aufsaugt. Oder Mathieu Amalric als lüsterner Literaturlehrer und Denis Podalydès als Physiklehrer und Eingeweihter Alphonse. Wer sonst könnte ein Zeitreisen glauben und 25 Jahre geduldig die Auflösung erwarten? Das Publikum braucht sich bis dahin nur zwei Stunden zu vergnügen.