6.8.13

Gloria

Spanien/Chile 2012 (Gloria) Regie: Sebastián Lelio, mit Paulina García, Sergio Hernández, 110 Min.

Das fesselnd ungewöhnliche Porträt „Gloria" lebt von seiner Hauptdarstellerin Paulina García, die für ihre vielschichtige und intensive Figurenzeichnung im Februar verdientermaßen den silbernen Bären der diesjährigen Berlinale
gewann. Allein über ihr Gesicht könnte man ohne Ende reden: Das einer lustvollen, lebendigen Frau oder einer seltsamen, älteren Dame? Ist es jung oder müde? Und wie alt ist Gloria eigentlich? Ihre beiden Kinder sind erwachsen, die schwangere Tochter will zu ihrem Freund nach Schweden ziehen. Die geschiedene Gloria scheint derweil das Nachtleben von Santiago de Chile zu genießen. Schick angezogen geht sie in Bars und zum Tanzen, macht Männer, die viel älter als sie selbst wirken, auf sich aufmerksam. Vor allem wenn sie mit großer Lust tanzt, lebt Gloria auf und ihr Gesicht wirkt trotz dieser unmöglichen Riesenbrille wieder wie das eines jungen Mädchens.

Irgendwann trifft sie auf den sieben Jahre älteren Rodolfo, der ihr schöne Liebesgedichte vorliest. Eine Beziehung wächst, auch hier verhalten sich die Senioren plötzlich wie Teenager. Kleine Geständnisse, die Unsicherheit und die Leidenschaft im Bett. Rodolfo zeigt Gloria seinen Fun-Park mit der Paintball-Arena. Der Familie mit den erwachsenen, aber furchtbar unselbständigen Töchtern stellt er Gloria jedoch nicht vor. Die stören nur immer wieder mit ihren Anrufen. Gloria hingegen nimmt Rodolfo mit zum Geburtstag des Sohnes. Als es mit Ex-Mann und Familienerinnerungen dort allerdings zu intim wird, verschwindet der neue Freund spurlos. Die enttäuschte Frau bricht den Kontakt ab, woraufhin sich der Grauhaarige wie ein kleiner Junge verhält...

Nur vordergründig ist „Gloria" eine Beziehungsgeschichte mit den Hoffnungen auf ein neues Glück und dem Weitermachen nach der Enttäuschung. Regisseur Sebastián Lelio konzentriert sich ganz auf seine Titelfigur und die macht auch die ganze Faszination des mit kleinen Details fesselnden Films aus. Selbstverständlich passiert auch einiges um Gloria herum. Der laute und aggressive Junkie aus der Wohnung über ihr verliert ein Päckchen mit Gras und spät entdeckt die Frau diese Möglichkeit der Entspannung. Fast zu spät kommt allerdings auch die Entdeckung einer Augenkrankheit, die vielleicht die Eulen-Brille erklärt. Doch all dies spiegelt vor allem eine Entwicklung zu größerer Offenheit und eine Emanzipation von Bild und Blick der anderen. Wenn Gloria schließlich zur schnulzigen Titelhymne „Gloria" ohne Brille auf die Tanzfläche voller Freunde geht, ist das irritierend, aber auch berauschend im Glück einer neuen Freiheit. Doch wie das Gesicht von Paulina García und wie der Film überhaupt bleibt auch diese Szene offen, auf einzigartige und selten gute Weise. „Gloria", Gloria und García sind eine dreifaltige Offenbarung des Kinos, die man auf keinen Fall verpassen sollte.