USA, Frankreich, Dänemark, Schweden 2013 (Only God Forgives) Regie: Nicolas Winding Refn, mit Ryan Gosling, Kristin Scott Thomas, Yayaning Rhatha Phongam, Vithaya Pansringarm, Tom Burke, 86 Min. FSK ab 16
„Time to meet the devil"! Ihr Mädchen, schließt die Augen, egal was passiert! Jungs, schaut gut hin! Diese Zitate aus „Only God forgives" grenzen die Zielgruppe für den ultrabrutalen Aufreger des bisherigen Kinojahres ziemlich ein. Der Däne Nicolas Winding Refn („Drive") macht darin „Kill Bill" auf Thailändisch, nachdem der Vater einer vergewaltigten Prostituierten den amerikanischen Täter Bill killt. Refn, Regisseur von „Drive", lässt nun eine unzüchtige Paarung aus Hamlet und Lady Macbeth los. Hauptdarsteller Gosling zieht als Bruder Julian des gemeuchelten Mörders Billy (Tom Burke) Gegner an der Nase durch reihenweise endlos lange Gänge und Refn zieht uns durch das Bangkok der Thai-Boxer, Prostituierten und Gangster.
Doch damit Julian, dieser Ödipus mit der Melancholie des Dänen-Prinzen, überhaupt in die Gänge kommt, bedarf es eines heftig starken Auftritts seiner Mutter Crystal (Kristin Scott Thomas). Atemberaubend grob kommt diese Megäre eingeflogen und hereingepoltert. Nicht sehr subtil fordert Lady Macbeth, dass Julian mit den „yellow niggern" aufräumt. Um die Familienehre, aber auch das Drogengeschäft zu retten. Die Begrüßung von Julians Freundin Mai (Yayaning Rhatha Phongam) im edlen Restaurant ist wohl mit Abstand die übelste Anhäufung von Beleidigungen in einem Atemzug. Der kleine Sohn wird mit einem Penis-Vergleich zum größeren Bruder noch einmal runtergemacht. Doch in der Bitte an ihn, ihr „noch einmal" zu helfen, enthüllt sich ein ganz altes Drama und der Grund, weshalb Julian ein so problematisches Verhältnis zu seinen Händen hat...
Dabei kulminiert diese eigentliche Mutter-Sohn-Geschichte nicht in einer der sehr einfallsreichen Mord-Gemetzel des mythischen Polizei-Chefs. Die unglaublichste, wenn auch ebenso blutige Szene komprimiert den Wunsch eines zurückgewiesenen Sohnes, wieder in den Bauch der Mutter zu schlüpfen, in einem Kinobild für die Ewigkeit. Dabei ist sowohl die Darstellung der Mutter und Drogen-Dealerin durch Kristin Scott-Thomas im deftigen Ellen Barkin-Stil als auch die Stilisierung Goslings purer Kult. Ryan Gosling ist wieder genial, wie er diesen einzigen zur Verfügung stehenden Gesichtsausdruck von Gosling übernimmt - das kann keiner so gut wie Golsing. Gleichzeitig zelebriert er die Entdeckung der Langsamkeit im Action-Film. An Stoizismus übertrifft ihn nur noch Vithaya Pansringarm als selbstgerechter Rache-Gott Chang mit schwachem Fleck für die eigene kleine Tochter. Wenn dieser Polizei-Chef nach wieder einem sadistischen Gemetzel mit seinem Kurzschwert vor versammelter Mannschaft thailändischen Karaoke-Kitsch singt, ist die Kreation eines unvergleichlichen Kino-Killers perfekt.
Das eingespielte Duo Refn-Gosling sorgt mit „Only God forgives" für „Danish Dynamite" mit heftigen Emotionen sowie einem Overkill an Dekor und fein ziselierten Lichtspielen. Griechische Tragödie und Shakespeare werden zusammen „gerefnt", irgendwo in diesen Gängen im Dämmerlicht, hinter diesen Türen zur Dunkelheit versteckt sich David Lynch. Surreale Visionen und ein dauerndes Dröhnen in Bild und Ton bringen unbewusste Ängste in Bildform. Das atmosphärische Schweben der einzelnen Szenen geht einher mit einer extrem rasanten Erzählung zwischen den Sequenzen.
„Only God forgives" ist näher an Refns früher „Pusher"-Trilogie und „Walhalla Rising" als an „Drive". Es ist ein extrem intensiver Trip, bei dem eine Frage jede weitere Einsicht verstellt: Ist dies Gewalt um der Gewalt willen, nur dekoriert mit exzellenter Filmtechnik und Kultur-Versatzstücken? Oder erzählt Refn eine atemberaubende Geschichte, die in seiner Vision sehr blutig ausfällt? Der Autor und Regisseur meinte jedenfalls, die Geburten seiner Kinder, die er selbst miterlebte, die seinen wirklich blutig gewesen.