USA 2011 (First Position) Regie: Bess Kargman 94 Min., FSK: o.A.
„Tanzt, tanzt sonst sind wir verloren!", sagte einst die legendäre Pina Bausch. Tanzt, tanzt, ihr seid schon verloren, möchte man den Kindern aus „First Position" zurufen: Der begeisternde Tanzfilm „First Position" begleitet sechs junge Talente auf ihrem Weg zum „Youth America Grand Prix" in New York, einem der weltweit renommiertesten Ballett-Wettbewerbe.
Der 11-jährige Aran, ist ein ganz normaler Junge, der uns in seinem Zimmer erst eine Luftpistole zeigt und dann ein paar üble Folter-Instrumente, die seine kleinen Beine gewaltsam überdehnen. Aran tanzt seit er vier ist und hat einen genialen Lehrer, der allein ist eine Show für sich. Auch mit seinen schmerzhaften Korrekturen und Schlägen des Schülers, der Ersatz für einen Sohn ist. Aran liebt jedoch die Schmerzen und die Erschöpfung des knallharten Trainings. Sein Vater zog für die Finanzierung dieser Ausbildung mit dem US-Militär nach Kuwait.
Brutal wie die (Auf-) Zucht zum Profi-Tänzer ist auch der Druck, Erwartungen und Investitionen der Eltern zu erfüllen. Denn Körper, Kopf und Kasse müssen bei diesen Kindern stimmen. Allein die eigene Choreographie für das Vortanzen kostet 1.500 US-Dollar, der Tutu bei den Mädchen mindestens noch mal so viel. Denn der „Youth America Grand Prix", dieser Wettbewerb für Tänzer von 9-19 Jahren, das sind fünf Minuten auf der Bühne, die vermeintlich über das weitere Leben entscheiden. Dagegen ist DSDS wirklich ein Kindergarten. Hier gibt es keine „Roten Schuhe", sondern blutige Füße.
Die ersten Bilder von „First Position", dem Debüt von Regisseurin Bess Kargman, begeistern nicht nur mit den Bewegungen vor der Kamera, auch diese selbst arbeitet elegant aber stetig aktiv an dem Euphorisierung mit. Kargman präsentiert sechs faszinierende Porträts. Man ist wie selbstverständlich bei allen wichtigen Momenten bis zum Finale in New York dabei. Die sehr aufwändige Arbeit von mehreren Kamerateams ist dabei ebenso wenig zu sehen, wie die endlosen Übungsstunden der Kinder nur zu erahnen sind.
Die athletische Michaela stammt aus Sierra Leone, sah im Bürgerkrieg viele Tote und Verstümmelungen, erlebte wie ihre Eltern umgebracht wurden. Für den adoptierten Teenager ist es ein Wunder, dass er überhaupt in den USA lebt. Man sieht, welche feinen Details dieser Film entdeckt, etwa dass Michaelas Adoptiveltern haufenweise Tutus und andere Ballettkleidung von „Hautfarben" auf braun umfärben müssen, weil „unsichtbare" Einsätze und Futter nur für weiße Tänzer entworfen wurden. Denn diese Tanz-Geschichten sind auch Emanzipations-Geschichten eines Kolumbianers aus Cali und einer Afrikanerin in einer noch überwiegend weißen Tanz-Gesellschaft.
Vor allem auf der Bühne sind die Protagonisten mit all ihrem Ernst schon kleine Erwachsene - der Gedanke an die verlorene Kindheit geht auch dem Film in seinem Verlauf leider verloren. Dass er sich letztendlich auf die Sieger konzentriert, nimmt ihm viel von seinen kritischen Ansätzen. Macht ihn aber auch zum Wohlfühlfilm.