Wenn die Gondeln Filmstars tragen...
Von Günter H. Jekubzik
Venedig. Die Jury um Regisseur Michael Mann ist eingeflogen, Kate Hudson wird für den großartigen Eröffnungsfilm „The Reluctant Fundamentalist" erwartet, wobei das Warten in Venedig seinen besonderen Reiz hat. Malerisch am Kanal zu verharren und hoffnungsvoll auf die Wassertaxis zu blicken, die das Festivalgelände am Lido anlaufen, hat viel mehr Charme, als einfach hinter einem Gatter irgendwo in Cannes oder Berlin zu stehen. Der Auftakt der 69. Filmfestspiele Venedigs ist mit einem sehr diversem Dreiklang gelungen. Der Liebes-Polit-Thriller von Mira Nair und ein Ausflug von Jonathan Demme in die World-Music wurden von „Bait", einer Trash- und Splatter-Beilage aus Australien, abgerundet.
Mira Nair, die mit „Monsoon Wedding" einen Goldenen Löwen gewann, legt eine komplexe Eröffnungsszene hin. Die Entführung eines amerikanischen Professors, der im pakistanischen Laore lehrt, geht einher mit einer lokalen Feier und „göttlicher Musik". Während nun der CIA Verdächtige für die Entführung beobachtet, interviewt der Journalist Bobby (Liev Schreiber) den ehemaligen Wallstreet-Mitarbeiter Changez Khan (Riz Ahmed), der nach den Anschlägen vom 11. September und der folgenden Diskrimierung frustriert nach Pakistan zurückkehrte. Ist aus dem jungen Mann, der die USA liebte, halbe Belegschaften feuerte und den Gott des Kapitalismus anbetete, ein Glaubenskrieger geworden? Ein spannendes Gespräch und Duell zwischen zwei Männern, die beide sozialen Wandel wollen, aber andere Wege einschlugen. Neben Riz Ahmed, der als weiser junger Aussteiger nachhaltig beeindruckt, spielt auch Kate Hudson als dessen große Liebe sehr, sehr gut. Eine nuancenreich erzählte Geschichte unserer Zeit auf der Basis eines Romans von Mohsin Hamid, ein ergreifender Liebes-Film, ein kluger politischer Thriller - so gut kann Kino sein. Mira Nair, die in „The Namesake - Zwei Welten, Eine Reise" 2006 eine ähnliche Geschichte der Entwurzelung etwas weniger radikal und gut erzählte, spendiert Venedig die perfekte Eröffnung.
Das Reden über Musiker
Wieso dreht Jonathan Demme, der Regisseur von „Das Schweigen der Lämmer" und dem Neil Young-Konzertfilm „Heart of Gold" (2006)
eine Dokumentation über den neapolitanischen Musiker Enzo Avitabile? Nach „Enzo Avitabile Music Life", dem wunderbaren Film über den Weltmusiker stellt sich die Frage nicht mehr: Der geniale Saxophonist und Komponist ist in Sessions mit anderen Musiker aus vielen Ländern zu erleben. Avitabile und Demme erzählen dabei auch vom Leben in Neapel, von universellen Rhythmen und ethnisch verschiedenen Tonleitern. Wenn da der Kubaner Eliade Ochoa und der Iraner Naseer Shamma mit dem im lokalen Dialekt singenden Avitabile zusammen spielen (und Demme die Stücke respektvoll bis zum Ende wiedergibt), ist auch das ein gutes Sinnbild, für die internationale Gemeinschaft eines Filmfestivals - nur da läuft nicht alles gleichzeitig und kann ganz verschieden gut klingen.
Obwohl beim Hai-Horrorfilm „Bait 3D" von Kimble Rendall (dt. Start im Dezember) sicher herrlich über die Berechtigung von solchem Unterhaltungskino im Festival diskutiert wird. Doch auch das gehört zum Spiel dazu.