Scope. USA, 2011 (The Cabin in the Woods) Regie: Drew Goddard mit Kristen Connolly, Chris Hemsworth, Anna Hutchison, Fran Kranz, Jesse Williams, Richard Jenkins, Bradley Whitford 95 Min. FSK ab 16
Teenie-Horror wird hier reihenweise in den Papierkorb geschrieben, weil er zu den einfallslosesten Genres des Kinos gehört und es außerdem viel zu viel davon gibt. Mit diesen Vorbehalten im Gepäck ging es zu „The Cabin in the Woods" und schon in der ersten Szene überrumpelt der sehr außergewöhnliche Film alle Vorurteile. Der übliche Horror reflektiert sich postmodern und erinnert an Michael Christons „Westworld" mit Yul Brunner.
Die (frisch gefärbte) Blonde Jules, der Football-Star Curt, der komisch näselnde Kiffer Marty, der vernünftige, neue Freund Holden und das brave Mädchen Dana. Wenn so ein Set an amerikanischen Studenten ein Wochenende zusammen verbringen will, noch dazu in einer einsamen Hütte im Wald, ist klar, was kommt: Schreien, Rennen, Abstechen. Teenie-Horror. Aber was hat das diesmal mit den zig Wissenschaftlern zu tun, die mit gestärkten Hemden, wie Comedy-Stars scherzend, in einer aufwändigen unterirdischen Anlage ein Experiment vorbereiten? An der letzten Tankstelle vor der Wildnis verabschiedet die fünf ein gefährlich griesgrämiger Hinterwäldler, genau wie in „Tucker & Dale vs Evil". Das Team in der Forschungszentrale nimmt derweil Wetten an...
Oben beginnen die Spannungsmomente beim heftigen Knutschen mit dem ausgestopften Wolfskopf an der Wand. Im Keller entdecken die Studenten gleich haufenweise Horror-Utensilien, die man eins für eins nicht anfassen, lesen, sehen, aussprechen oder sonst was sollte. Doch einer muss sich ja in Latein versuchen und schon kriechen Zombies aus dem Waldboden. Damit ist die Abteilung Unterhalt beim Wetten siegreich. Die Monitore von den anderen Versuchsstationen zeigen ein Scheitern für das brennende Berlin und in Tokio einen Geist aus dem Arsenal des J-Horrors, der kleine Schulmädchen erschreckt. Es bleibt rätselhaft.
Klar, hier findet ein Experiment statt und die Studenten sind Laborratten in Horror-Umgebung: Wenn es mit dem Paarungsdrang der jungen Menschen nicht von alleine klappt, hilft man mit Pheromon-Nebel nach. In hervorragender Bildqualität erfreuen sich die Zuschauer dank zahlloser Minikameras an den bloßgelegten Brüsten, bevor die Zombies blutig zuschlagen und die Versuchsleiter doch leicht erschrocken ein Gebet aussprechen. (Klasse: Richard Jenkins als Oberwissenschaftler!) Dann kippt die ganze Sache wieder vom absurd Rationalen ins Mystische, wenn einer der Herren mit den gestärkten Hemden rituell Blut in eine Form fließen lässt.
Wenn „Scary Movie" eine Horror-Parodie des Postmodernen war, wird in „The Cabin in the Woods" gezeigt, wie Wissenschaftler mit Horrorfiguren spielen. Genau wie es Filmemacher sonst für das Publikum tun. (Unter anderem wird endlich das unerklärliche Verlangen erklärt, sich in gefährlichen Situationen entgegen aller Vernunft zu trennen. Eine Verblödungsdroge in Gasform ist schuld.) Regisseur Drew Goddard und sein Ko-Autor Joss Whedon haben reichlich Erfahrung aus bester Schule bei „Lost", „Buffy", „Alias" oder „Angel" und bauen nun ein riesiges Rechenzentrum für die größte Show der Welt - nach der Truman-Show? (Ein neuer Wachmann heißt übrigens Truman.) Doch wer sind die geheimnisvollen Auftraggeber? Was ist das Ritual und wieso muss eine Jungfrau dabei sein?
Während das Team schon feiert und sich die Überstunden ausrechnet, drehen Dana und Marty als Superheld mit ausschiebbarem Thermosbecher-Bong das Spiel eine Ebene weiter. Wie auch in „Panem" und „Truman Show" sind sie klug genug, die Spielregeln zu brechen und landen in einem Cube-Labyrinth des Schreckens. In einem genialen Schachzug öffnen sie die Aufzugpforten der Höhle ins Innere und lassen eine Armee aus Alptraum-Gestalten auf die Experimentatoren los. (Selbst ein Einhorn erweist sich dabei als gar nicht so süß!)
Wenn dann Sigourney Weaver wieder mal das Schicksal der Menschheit in ihrer Hand hat, könnte man sich fragen, ob der ganze Horror-Scheiß, der die Kinos überflutet, nicht doch einen tieferen Sinn hat. Hier schlummern ganz unten riesige Urzeit-Wesen, die beruhigt werden wollen. Gemäß Küchen-Psychologie besänftigt der in experimenteller Reinraum-Klinik (Kino) erzeugte Schauder tiefere und größere Ur-Ängste. Man muss nicht so tief in den Eingeweiden der Seele wühlen - während die Monster mit anderen Innereien das Labor rot einfärben. Allein das Angebot des Denkens auf mehreren Ebenen macht diesen raffinierten und spaßigen Horror außergewöhnlich.