„Vergiss mein nicht" heißt der neue Film des freien Produzenten Martin Heislers und seiner Berliner Firma „Lichtblick Media". Heisler stammt aus Aachen und feierte gestern beim 65. Internationalen Filmfestival von Locarno mit der sensiblen Dokumentation über eine an Alzheimer erkrankte Mutter persönlich eine ausverkaufte Premiere.
Während im Wettbewerb und auf der Piazza Grande selbst deutsche Koproduktionen rar gesät sind, stammen in der exklusiven und anspruchsvollen Sektion „Kritikerwoche" gleich drei von sieben Dokumentationen von deutschen Produktionsfirmen. Mit „Camp 14 - Total Control Zone" der Kölner Engstfeld-Film begeisterte der ausgezeichnete Regisseur Marc Wiese bereits am Freitag das Publikum. Die Geschichte von Shin Dong-huyk, der in einem nord-koreanischen Gefangenenlager geboren wurde und nach furchtbaren Erlebnissen und Qualen im Alter von 23 Jahren fliehen konnte, brachte eine selten gehörte Stille in das Festivalkino.
Auch „Vergiss mein nicht" des jungen Regisseurs David Sieveking hat ein schwieriges Thema: Die Mutter des Filmemachers ist an Alzheimer erkrankt und der Sohn kehrt ins Elternhaus zurück, um dem Vater bei der Pflege zu helfen. Produzent Martin Heisler, erzählte vor der Premiere, dass er ein „paar Tage" überlegen musste, bevor er sich entschied, diesen Film zu machen. Obwohl oder auch vielleicht weil er mit Sieveking studiert hatte, sich über ihren letzten gemeinsamen Film „David wants to fly" eine Freundschaft entwickelte und auch Heislers Mutter im gleichen Zeitraum schwer krank war. Noch während des Films stellt man sich die Frage, ob man einen nahen Menschen so im geistigen Verfall zeigen kann. Doch Martin Heisler fand schließlich, „Vergiss mein nicht" sei „ein Blick auf Familie und Krankheit der erzählenswert ist."
Die sehr familiäre Dokumentation ist das, was Heisler als Produzent bei aller Anstrengung von jahrelanger Projektarbeit für jeweils einen Film an seinem Beruf, der vor allem Film-Leidenschaft ist, reizt: „ In irgendeiner Form Menschen berühren und vielleicht auch etwas verändern." Momentan setzt sich die bemerkenswerte Karriere äußerst positiv fort: Gerade ist mit „Headhunter", in dem Ulrich Tukur die Hauptrolle in NRW und den USA spielt, der bislang größte Film fertig geschnitten worden. „Vergiss mein nicht" beginnt seine internationale Festival-Tour und wird am 17. Januar 2013 bundesweit in die Kinos kommen.
Fast als Begleitprogramm funktionierte da am Sonntagabend die Piazza Grande, die diesjährig unter heftigen Gewittern zu leiden hat: In dem französischen Drama „Quelques heures de printemps" entscheidet sich eine alte Frau, bei der unheilbare Gehirntumore diagnostiziert wurden, sich in einem Schweizer Hospiz betreut das Leben zu nehmen. Das schwierige Verhältnis zum reifen Sohn, gespielt vom Star Vincent Lindon, wird zwar nicht innig, aber wenigstens kehrt angesichts des nahen Todes eine respektvolle und nahe Ruhe ein. Regisseur Stéphane Brizé („Mademoiselle Chambon") kann sich ganz auf die exzellenten Darsteller verlassen, wenn er Sterbehilfe als selbstverständlich und sehr einfach darstellt. Ein stiller, sehr berührender Höhepunkt des bisher auch oft nur unterhaltsamen Piazza-Programms.