18.1.11

Black Swan


USA 2010 Regie: Darren Aronofsky mit Natalie Portman, Vincent Cassel, Mila Kunis, Barbara Hershey, Winona Ryder 110 Min. FSK ab 16

Blutiger Schwan

Ein abgewrackter „Wrestler“ und ein aufsteigender Ballett-Star vor der Rolle ihres Lebens haben anscheinend nicht viel gemeinsam. Doch unter der Regie von Darren Aronofsky werden Mickey Rourke und die gerade mit einem Golden Globe prämierte Natalie Portman zu zwei Seiten extremer Formen körperlicher Karrieren. Mit den dunklen und hellen Seiten dieser Figuren ist der einstige Arthouse-Regisseur von faszinierenden und schwer fassbaren Zuständen menschlichen Wahnsinns seinen ersten Filmen „Pi“, „Requiem for a Dream“ und „The Fountain“ immer noch sehr nahe. Der Psycho-Trip einer jungen Tänzerin mit Horror-Elementen - so hat man „Schwanensee“ noch nie gesehen!

Ein ängstliches Wesen huscht durch die Betriebsamkeit der New Yorker Metro zum angesehenen City Ballet. Nina (Natalie Portman) soll Ballerina dieses Ensembles sein? Schwer vorstellbar und so versteht man den ebenso exzentrischen wie brutalen Ballettdirektor Thomas Leroy (Vincent Cassel), dass er der strebsamen Tänzerin sehr wohl technisch die Rolle des Weißen Schwans in einer Neuinszenierung von Tschaikowskis „Schwanensee“ zutraut, aber nicht die abgründigere des Schwarzen Schwans. Leroy beginnt ein Spiel aus Verführung, Forderung und Erniedrigung mit dem Mädchen. Zuhause sorgt Ninas Mutter (Barbara Hershey) für den klassischen Psycho und auch die so viel lebenslustigere Konkurrentin Lily (Mila Kunis) scheint die unter zunehmendem Druck immer mehr Verwirrte auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Trotzdem verkündet Leroy öffentlich den Abschied des alten (Winona Ryder) und die Geburt eines neuen Stars: Nina. Doch nicht nur die Abgesägte, vor allem ihr eigener Körper entwickelt sich zum Feind. Zu den Kontrastfarben Schwarz und Weiß gesellt sich das Blut, das aus den Ballett-Schuhen fließt.

Große Tanzszenen - in die sich Natalie Portman hervorragend eingearbeitet hat - präsentiert „Black Swan“ nur im wahnsinnigen Finale. Darren Aronofsky feiert seine eigene Kunstform mit einer Geschichte, die nicht allein dank einer hervorragenden Hauptdarstellerin schnell in den Bann zieht, aber auch immer wieder verstört. Natalies Nina erlebt im Schnelldurchgang einen Karriere-Sprung, sexuelle Erweckung und eine psychologische Achterbahn-Fahrt, die in regelmäßig auf die Geisterbahn abzweigt. So wie die Ballerina ihre Karriere ohne Rücksicht auf Verluste auf die Spitze treibt, lässt auch Aronofsky viele Konventionen hinter sich. Einerseits setzt er extrem stilsicher die Doppelungen von Tschaikowskis Vorlage in Spiegeln und Figuren fort. Dabei zeigt er die Selbstzerstörung für den sportlich/künstlerischen Erfolg mit Bulimie und körperlichem Verfall so gnadenlos erschreckend wie er den Drogenwahn in „Requiem for a Dream“ unerträglich machte. Dass dies nur Horror sein kann, mag einige Zuschauer verschrecken, ist aber konsequent. Die auf der Bühne wie im Leben meisterhaft bewegliche und elegante Kamera schmeichelt über die Abgründe hinweg. Eben so spannend wie der Ausgang von Ninas Visionen ist der Erfolg dieses Films: Schafft es ein mutiger Autor des Wahnsinns mit seinem Können auch den Mainstream zu begeistern? Hat der Schwarze Schwan eine Chance oder bekommt nur die langweilige Schönheit den üblichen Applaus?