22.9.10

Fish Tank


Großbritannien, Niederlande 2009 (Fish Tank) Regie: Andrea Arnold mit Katie Jarvis, Rebecca Griffiths, Michael Fassbender 124 Min.

Wenn keines der Label wie „Romantische Komödie“ oder „Road-Movie“ richtig passt und wenn eine Regisseurin gleich mit ihren beiden ersten langen Spielfilmen den Preis der Jury in Cannes erhielt, dann lohnt sich die Aufmerksamkeit. Andrea Arnold ist eine junge britische Regisseurin, die in ihrem Langfilm-Debüt „Red Road“ die verstörende Geschichte einer Sicherheitsangestellten erzählte, welche bei der Videoüberwachung eine Person aus ihrer Vergangenheit entdeckt hat. In „Fish Tank“ steht wieder eine Frau im Mittelpunkt, diesmal ein junges Mädchen, das Orientierung sucht.

Eindrucksvoll ist dieser Vernichtungs-Feldzug, den die 15-jährige Mia (Katie Jarvis) in ihrer Umgebung anrichtet! Es steckt so viel Wut in diesem schmächtigen Körper, da muss schon mal die Nase einer Freundin dran glauben. Im schwierigen Verhältnis mit der Mutter ist der beste Moment ein Abschied. Wenn man sich zum Abschied wenigstens ein „ich hasse dich“ entgegenschleudert, ist noch alles im Rahmen. Es kann aber auch heftiger und deftiger werden, in diesem Arbeiterviertel mit den aufeinander gedrängten Sozialwohnungen. In Mias Leben mit der Mutter und der kleinen Schwester bot bislang der Tanz einen Fluchtpunkt. Bei eindrucksvollen „Moves“ zwischen HipHop und freiem Tanz schreit sie Aggressionen heraus. Dann steht eines Tages der knackige neue Freund der Mutter in der Küche herum. Es entsteht sofort enorme Spannung, die offen lässt, wer hier eigentlich verführt.

„Fish Tank“ ist immer besonders spannend, wenn es darum geht, wer gerade die Macht hat. Nicht „Die Macht“ aus „Star Wars“, sondern die aus dem ganz alltäglichen zwischenmenschlichen Balance-Spiel. Diese dynamische Intensität wird eindringlich gespielt von der jungen, mittlerweile preisgekrönten Laien-Darstellerin Katie Jarvis und Michael Fassbender („Inglourious Basterds“, „Hunger“) als dem neuen Freund der Mutter. Dieser wartet mit einer Überraschung auf, genau wie der sagenhaft dichte Film seine Figur unerwartet weitertreibt: Mia erlebt man im Wechsel vom Terror-Mädchen, das in den ersten 15 Minuten einen atemberaubende Zerstörungsschneise schlägt, zu einer sehr vielschichtigen und empfindsamen Figur. „Fish Tank“ ist dabei stellenweise märchenhaft, dann wieder ganz real in einer lebensgefährlichen Situation, die Mia herbeiführt. In Momenten der Nähe kann die bemerkenswerte Regisseurin Andrea Arnold problemlos mit Zeitlupe arbeiten. Sie hat ihre eigene Sprache, genau wie die drei Frauen in der engen Wohnung. Diese verstehen sich in der Musik, kennen alle den gleichen Tanz zum Musikvideo im dauerlaufenden Fernseher.

„Fish Tank“ wurde nach Premiere in Cannes 2009 und dem Preis der Jury mit weiteren Auszeichnungen überhäuft: Beste Darstellerin, Edinburgh 2009; Beste Regie bei den British Independent Film Awards 2009 und Gewinner des „Outstanding British Film“ bei den Britischen Filmpreisen 2010.