28.9.10

Das Sandmännchen - Abenteuer im Traumland


BRD, Frankreich 2010 Regie: Sinem Sakaoglu, Jesper Møller, Helmut Fischer 83 Min. FSK o.A.

Wenn aus der vom Fernsehen bekannten „Sandmann, lieber Sandmann“-Melodie im Vorspann unaufdringlich Großes Orchester wird, ahnt man schon, dass der Schritt vom Vorabend-Liebling der Kinder zum Kinostar beim „Sandmännchen“ mehr als gelungen ist. Großes Kino für die ganze Kleinen und auch für Erwachsene ein sehr schöner Spaß.

Zuckerwatte-weiche Schäfchen-Wolken bilden die Trainings-Wiese bei der Ausbildung zum Traumschaf: Bitte recht eintönig und gleichförmig über den Zaun springen, damit später alle beim Schäfchenzählen schnell einschlafen. Nur Nepomuk springt wieder aus der Reihe und verursacht eine Schafenskrise beim Ausbilder. Nach dem Rauswurf empfiehlt sich Nepomuk oben auf dem Leuchtturm beim Sandmann. Gerade rechtzeitig, um mitzuerleben, wie dessen Gegenspieler Habumar den Sack mit Traumsand klaut, um ihn zu Albtraumsand zu „verübeln“. Nun soll Nepomuk aus der Realwelt den tapfersten Kapitän auftreiben, erwischt aber ausgerechnet den kleinen, wasserscheuen Miko unter der viel zu großen Kapitänsmütze seines Opas. Doch bezaubernd verzaubert übersteht der kleine Junge schließlich das Abenteuer im fantastischen Traumland.

„Wo Wolle ist, ist auch ein Weg“ - besonders solche Dialoge bieten auch Erwachsenen viel Spaß: Wenn Nepomuk beim fleißigen Zitieren „Casablanca“ mit  „Vom Winde verweht“ verwechselt, sich als „Schlafschaf 7 oder 007“ ausweist, dann merkt man, hier wurde auf jeder Ebene viel Liebe und Mühe vergarnt. Die Aufgabenteilung im Film ist klar. Für die Magie ist der Sandmann zuständig, für den Humor eindeutig Nepomuk, dessen Witzigkeit sich an der von „Shaun, das Schaf“ anlehnt, aber auch völlig ausgelassen albernd herumpurzelt. Und die Herzen gewinnt der kleine Miko als Trickfigur. Während im flugs skizzierenden Realfilm die Nöte des kleinen Jungen vorgestellt werden, darf er im Traumland seine Angst überwinden. Das passende Abenteuer taucht zwar auch mal mit einem U-Boot und einer wienernden Figur freud-ig ins Unterbewusste ab, doch die kleinen Kinogänger können durchaus lernen, wie sie bösen Träumen die Luft aus den Segeln nehmen.

Volker Lechtenbrink spricht unerschütterlich sonor den Sandmann, Ilja Richter den Schurken Habumar, der sich auch im strengen Vater Mikos widerspiegelt, gespielt vom selben Ilja Richter. Für die überwiegende Animation waren wie immer zahlreiche Studios verantwortlich, doch der Mix geht auf, alles fügt sich bestens zueinander, die frankophon kokette Sahnetorte macht ebensoviel Spaß wie das schaurig schöne Schattenspiel in Habumars Bar. Was dieses sensationell gute Kino-Sandmännchen vor allem bemerkenswert macht, ist sein Mut zu fantastischen Welten. Dass dabei viele Stile und Momente widererkennbar sind, schadet keineswegs - lebt doch auch ein Trickerfolg wie „Shrek“ vom klugen Referieren. Vor allem der Bösewicht Habumar scheint beim „Sandmännchen“ die Handschrift düsterer Fantasien eines Tim Burtons zu tragen. Der schummerige Leuchtturm wirkt mit seinen grünlich-grauen Mischfarben wie eine Leihgabe von Jean-Pierre Jeunet. Wenn sich Schirme hinter dem Horizont zu Vögeln wandeln, hat Dalí Spaß. So wie eigentlich jeder bei diesem durchgehend gelungenen Kinderfilm.