31.5.10

Splice


Kanada, Frankreich 2009 (Splice) Regie: Vincenzo Natali mit Adrien Brody, Sarah Polley, Delphine Chanéac 108 Min. FSK ab 16

„Wenn Gott nicht gewollt hatte, dass wir neues Leben schaffen, hätten er uns nicht die Werkzeuge dazu gegeben!“ Dieser flapsige Satz stammt nicht von Craig Venter aus dem realen Künstliches schaffenden Leben. Der viel coolere Pop- und Punk-Wissenschafter Clive (Adrien Brody), ein Gen-Zauberer der Extraklasse, der es auf das Titelblatt der Wired geschafft hat, wischt damit in „Splice“ euphorisch die Bedenken seines Konzern-Aufsehers hinweg. Euphorie und Bedenken sind gleichermaßen angebracht, schufen Clive und seine Lebens- wie Forschungs-Partnerin Elsa (Sarah Polley) doch mit Ginger und Fred zwei zwar unförmige, aber sehr komplexe Lebewesen, die bei der ersten Begegnung direkt einen betörend schönen Zungenkuss austauschen - obwohl sie selber so aussehen wie überzüchtete Rinderzungen vom Metzger. Schon in diesem Moment packt Regisseur Vincenzo Natali, dem seit „Cube“ das Horror-Schild an der Filmographie hängt, sehr raffiniert: Gespannt erwartet man alles andere als diese fast kitschige Vereinigung rosa-farbener Riech-, Fühl- und Fortpflanzungs-Zungen. Der Horror kommt später.

Denn der Vorstand des Pharmakonzerns ist gar nicht begeistert und schließt die Abteilung, damit es kein öffentliches Aufsehen gibt. Heimlich klonen Clive und Elsa jedoch weiter, mixen sogar ein paar menschliche Gene in den schöpferischen Cocktail. Bei etwas übertriebener Zellteilungs-Geschwindigkeit entsteht so ein ... extrem faszinierendes Etwas. Eine Art Riesen-Springmaus mit ganz weichem Gesicht und großen Augen. Während Wissenschaftler Clive das Experiment sofort vernichten will, erwacht in Elsa, die sich eigentlich nicht mit Kindern Karriere und Figur versauen wollte, der Mutterinstinkt. Und als das bald Dren genannte Wesen zum Tier-Mädchen und später -Teenager aufwächst, wird klar weshalb...

Vier Finger, ein schönes Frauengesicht, Sprung-Beine wie bei einem Saurier und ein Schwanz mit bedrohlichem Stachel - Dren (Delphine Chanéa) ist eine zwischen Mensch und Tier schillernde Kreatur. Sie kann lesen, guckt beim Sex zu, hat Angst und irgendwann auch Kiemen und Flügel. Was sich sehr abgehoben anhört, funktioniert mit exzellent eingesetzter Tricktechnik und hervorragendem Schauspiel ausgezeichnet. Man würde Dren selbst sofort aufnehmen und auf dem Lande verstecken, wenn sie lieblich schnurrt und bittend den Kopf zur Seite legt. Doch ein Blutbad vor Aktionären, als Elsa und Fred vorgeführt werden, lässt ahnen, wohin sich auch das neueste Monster der Familie Frankenstein entwickeln kann. Dabei schwankt auch der Monster-Pol hin und her zwischen Kreatur und monströsen Eltern, die Dren anketten, wegschließen und (erfolglos) verstümmeln.

Im Gegensatz zum heute üblichen Horror-Schund geht es bei „Splice“ mit gutem Tempo und viel Humor um etwas. Richtige Schauspieler vom Besten (Polley und Brody) starten als hippe Wissenschaftler und führen uns durch immer wieder überraschende psychologische Untiefen. Das macht Spaß wie Angst, lässt mitdenken und -fühlen. Nachdem sowohl wissenschaftlich als auch familiär jedes Tabu gebrochen wurde, kommt der kluge und vielschichtige Science Fiction-Horror dann im Mary Shelley’schen Winter an, in dem die Kreatur Vollendung und Ende erlebt. Dieses bleibt offen, aber nur für den Pharmakonzern mit seinen Patenten auf menschliche DNA wirklich happy.