5.5.10
Die Eleganz der Madame Michel
Frankreich, Italien 2009 (Le Hérisson / Il Riccio) Regie: Mona Achache mit Josiane Balasko, Garance Le Guillermic, Togo Igawa, Anne Brochet 100 Min.
Die elfjährige Paloma (Garance Le Guillermic) begegnet uns als ein extrem kluges und kreatives Kind. Sie spricht japanisch, bemalt ihr Zimmer äußerst kunstvoll nur mit schwarzem Stift und durchschaut die Welt mit ihrer Kamera. Dass die kleine Kluge andere wichtige Dinge des Lebens gar nicht versteht, gehört zu den vielen Reizen dieses liebenswerten Films nach dem französischen Roman „Die Eleganz des Igels“ von Muriel Barbery.
Bei all ihrer Intelligenz ist es irgendwie verständlich, dass Paloma in der ignoranten, eitlen Umgebung ihrer Familie und des Pariser Mehrfamilienhauses nicht weiter leben will. Deshalb wird sie sich in 165 Tagen umbringen und dreht die letzten Tage ihres Lebens einen Film, der die Absurdität des Seins zeigt. Das neugierige Mädchen erforscht nun alle Lebens- und Sozialbereiche im Haus und durchbricht damit die Mauer der Distanz wahrenden Höflichkeiten im Treppenhaus. Dies führt zu einigen Überraschungen, zum Beispiel hat die nicht sehr gesprächige, ältere Concièrge Madame Michel (Josiane Balasko) eine eindrucksvolle Bibliothek hinten in ihrer Hausmeister-Stube. Renée Michel mag Zartbitter-Schokolade, ihren Kater Leo und kocht sich japanisch Tee. Dann zieht sehr passend der elegante Japaner Kakuro Ozu (Togo Igawa) in die Wohnung eines verstorbenen Eigentümers ein. Endlich kann Paloma Japanisch sprechen! Mit dem Geschenk einer alten Ausgabe von „Anna Karenina“ kann Kakuro auch der mürrischen Fassade von Madame Michel ein Lächeln entlocken. Er erkannte nicht nur den Tolstoi im Kater Leo, auch andere Qualitäten in unscheinbaren Menschen bringt der stille und freundlichen Mann hervor. Dazu sehr schöne Weisheiten: So antwortet Kakuro auf den Einwand Michels, sie sei doch nur die Concièrge, „man kann durchaus zwei Qualitäten nebeneinander haben“.
Mit seinem doppelten Kamera-Einsatz durch die Film-im-Film-Regisseurin Paloma findet „Die Eleganz der Madame Michel“ immer reizvolle Sinnbilder für solche Lebensweisheiten. Da spielt nicht nur der Goldfisch im Glas eine bedeutungsvolle Rolle, Paloma versetzt auch ihre Familienmitglieder in durchsichtige Gefängnisse, indem sie durch Trinkgläser filmt. Zum gelungenen, ebenso humorvollen wie anrührenden Spiel im Mikrokosmos Mietshaus trägt neben der jungen Garance Le Guillermic als Paloma auch Josiane Balasko bei. Neben ihren starken Rollen führte sie auch schon bei den ihren eigenen Komödien „Eine Frau für zwei“ (1994) und „Mein Leben ist die Hölle“ (1991) Regie. In der sehenswerten Barbery-Verfilmung, präsentiert sie sich mit Mut zur Hässlichkeit, um mit neuer Frisur und „geliehenem“ Kleid in voller Eleganz zu erstrahlen.