13.6.06
The Sentinel
USA 2006 (The Sentinel) Regie: Clark Johnson mit Michael Douglas, Kiefer Sutherland, Kim Basinger, Martin Donovan, Eva Longoria 108 Min.
Es ist tatsächlich ein langer Weg von den "Straßen von San Francisco" bis zu "modernen" TV-Thrillern wie "24". Der Kinofilm "The Sentinel" bringt die Protagonisten beider Serien-Generationen, Michael Douglas und Kiefer Sutherland, zusammen. Man sieht, wie das Fernsehen das Erzähltempo des Kinos beeinflusst, und wird nebenbei ganz gut unterhalten.
Pete Garrison (Michael Douglas) ist eine Legende beim Secret Service. Er bekam eine Kugel ab, als er Präsident Reagan beschützte. Garrison passt immer noch auf den aktuellen US-Häuptling auf, seine Vorgesetzten sind mittlerweile alle jünger. Der alte Hase bekommt von einem seiner Informanten eine Warnung: Es gäbe einen Verräter im Secret Service und einen Plan, den Präsidenten ("Sledge Hammer" David Rasche) umzubringen. Sofort herrscht Panik bei den heimlichen Bewachern, denn der Secret Service gilt immerhin seit Jahrzehnten als "unfallfrei". Die Schutztruppe wird so konfus, dass sogar ein Münzenwurf als Verschleierungsmaßnahme herhält: Fliegt der Präsident mit dem Hubschrauber oder fährt er mit dem Auto? Kopf oder Zahl? Beim Test am Lügendetektor fällt Garrison durch, denn der alte Schwerenöter hat eine Affäre mit der First Lady (Kim Basinger). So wird er plötzlich von den eigenen Leuten verfolgt, wobei sich sein alter Freund David Breckinridge (Kiefer Sutherland) besonders verdächtig macht. Denn er vermutet, Pete hätte was mit seiner Ex-Frau gehabt ....
Pete Garrison erweist sich als gehetzter Einmann-Suchhund effektiver als der ganze Verein, der ihn mit Hightech und Totalüberwachung jagt. Da wird die Glaubwürdigkeit der Handlung von "The Sentinel" arg strapaziert - wie in vielen anderen Situationen auch. Doch heutzutage erscheint wichtiger, dass der Thriller seine Handlung zügig durchzieht. Atemlos wäre übertrieben, aber was im Fernsehen bei "24" mit Kiefer Sutherland funktioniert, müsste doch auch auf der großen Leinwand klappen?
Daran krankt "The Sentinel": Die Charaktere bleiben oberflächlich, die ruhigen Szenen zum Sinnieren werden seltener. In den "Straßen von San Francisco" (1972-77) hatte Michael Douglas neben Karl Malden noch kräftig Charakter ausbilden konnte. Aus der hochkarätigen Besetzung mit Michael Douglas, Kiefer Sutherland, Kim Basinger und Martin Donovan hätte man einen anderen Film machen können.
Basinger ist eine strahlende, kluge Film-First Lady, nicht eine der realen angestrengten Präsidenten-Gattinnen. (Kollege Körte basierte seine Kritik vor allem auf seiner Begeisterung für Basinger.) Trotzdem bleibt die Liebesgeschichte zwischen ihr und Garrison ziemlich unglaubwürdig - was vor allem an der viel beschworenen Chemie liegt. Sie ist nicht da. Denn hier hatte Clark Johnson die Regie. Clark wer? Der Schauspieler und Regisseur, der vor allem bei Fernsehkrimis wie "The Shield" oder "Homicide" mitmachte und bei "The West Wing" auch mal ins Weiße Haus reinschaute.
So ist wohl auch ein subtiler Bezug, der die Latte für "The Sentinel" hochlegt, Zufall: Die Anfangsbilder zeigen ein Attentat auf Präsident Ronald Reagan, dessen Secret-Service-Codename "Rawhide" lautete. Eine Verulkung des ewigen Cowboys Reagan, denn "Rawhide" war eine Cowboy-Serie mit Clint Eastwood. Der wiederum verzichtete auf die Politik-Karriere und spielte den alternden Präsidenten-Bewacher bei "In the Line of Fire", ein exzellenter Film von Wolfgang Petersen, der heute schon wirkt wie aus einem vergangenen Jahrhundert.