19.6.06
Die andere Seite des Mondes
Kanada 2003 (La Face Cachée De La Lune) Regie: Robert Lepage mit Robert Lepage, Anne-Marie Cadieux, Céline Bonnier 105 Min. FSK: o.A.
Philippe (Robert Lepage) ist ein Raumfahrt-Fan, der seit dem Tod seiner Mutter nicht mehr mit den Füssen auf dem Boden steht. Seine Gedanken kreisen um die Erde, das Sonnensystem und astronautische Ideen. Ganz profan muss er sich mit einem miesen Job beim Telefon-Marketing und seinem Bruder André (Robert Lepage), einem lauten, groben TV-Meteorologen rumschlagen. Der sensible Träumer hängt seiner Kindheit nach, die von Krankheit bestimmt war, und die wichtigste Gerätschaft zur Bereitung von Nahrung in der Küche ist das Telefon. Für das SETI-Projekt nimmt Philippe mit alter Videokamera ein Protokoll des eigenen Lebens als Botschaft für Außerirdische auf.
So wie Philippe im Film den Außerirdischen ein Gedicht vorliest, weil "es im Fernsehen ja keine Poesie mehr gibt", zaubert das Multi-Genie Lepage als Autor, Regisseur und doppelter Hauptdarsteller mit seiner "anderen Seite des Mondes" einen seltenen Fall von Leinwand-Poesie herbei. Das Kunstwerk begeistert mit Bild-Ideen wie der Überblendung von der Rückseite des Mondes in eine Waschmaschine und zurück in die Luke einer Raumkapsel. Philippe geht vom Hörsaal durch eine Tafel direkt in seine Wohnung und die Kamera blickt ihm über Spiegel um die Ecken nach. Ein Flashback geht von den Schuhen der Mutter zu ihren Beinen in seiner Kindheit. Die Nabelschnur eines Embryos ist gleichzeitig die Verbindung zum Kosmonauten im All ...
Schon in seiner raffinierten und spannenden Hitchcock-Hommage "Le Confessionnal" zeigte der Theater- und Kino-Künstler Lepage, dass Film sehr vielschichtig Geschichten erzählen kann. "Die andere Seite des Mondes", die Auseinandersetzung Philippes mit dem Bruder und der Vergangenheit, wurde zuerst für die Bühne inszeniert. Man merkt dem Film die Theatervorlage in einigen Szenen an. Ansonsten ist dieser neue Seite von Lepage pures Kino, bestes Kino.