19.6.06

Lady Henderson pr ä sentiert


Großbritannien 2005 (Mrs. Henderson Presents) Regie: Stephen Frears mit Dame Judi Dench, Bob Hoskins, Will Robert Young 103 Min. FSK: ab 6
 
Mein wunderbarer Nacktsalon
 
Lady Laura Henderson (Judi Dench) hat gerade ihren Gatten unter die Erde gebracht. Gelangweilt von Kaffeekränzchen legt sie sich ein verfallenes Theater im Londoner Westend zu. Wir sind im Jahr 1937 und die gute Mrs. Henderson ist gerade mal 69 Jahre alt. So kommt es auch zu stürmischen Auseinandersetzungen mit dem engagierten Theater-Manager Mr. Vivian Van Damm (Bob Hoskins), den der alte Drachen direkt mit: "You must be jewish!" (Sie sind wohl Jude) begrüßt. Doch das neue Konzept für das "Windmill Theatre" schlägt ein wie eine Bombe: Das "Windmill" zeigt nackte Frauen - als Kunst selbstverständlich. Viel Überzeugungsarbeit ist bis zur Premiere zu leisten. Um die scheuen Darstellerinnen zu beruhigen, müssen auch die Herren vom Theater alle Hüllen fallen lassen. Um Genehmigungen kümmert sich Mrs. Henderson persönlich, schließlich ist der zuständige Lord Tommy ihr kleiner Neffe. So kämpft die Lady gerissen und rücksichtslos wie eine Löwin für ihr Theater. Gleichzeitig ist sie Freundin für die jungen Schauspielerinnen.
 
Doch richtig hart wird der Kampf für das "Windmill", seine Menschen und seine Gäste erst als die Deutschen London bombardieren. Lady Henderson bietet den letzten Widerstand auf, damit Tommy das Theater nicht schließt. Sie verkauft die Peep-Show tatsächlich als Barmherzigkeit für die jungen Soldaten, die in den Krieg ziehen und angeblich noch nie eine nackte Frau gesehen haben. So bleibt das "Windmill" als einziges Theater der Stadt offen. Sternchen Maureen (Kelly Reilly) meint gar, nackt auf der Bühne zu stehen, sei der sicherste Platz auf der Welt.
 
Ein geradezu ungeheure Leichtigkeit, über die Kulturkonservative pikiert die Nase rümpfen, und dabei eine rührende Herzlichkeit, die sich nicht um Form oder Etikette kümmert. Was der Show von Mrs. Henderson vorgeworfen wurde, trifft auch auf "Lady Henderson präsentiert" zu, der wieder eine neue Facette in der Kunst von Stephen Frears zeigt. Der Brite, dessen "Wunderbarer Waschsalon" 1985 ins Kino einschlug, wurde am 20. Juni bereits 65 Jahre alt. In der Zwischenzeit hat er aber alles Mögliche gemeistert: Die freche Multikulti-Komödie "Sammy und Rosie tun es" (1987), das Historiendrama "Dangerous Liaisons" (1988) mit Malkovich, den Genre-Krimi "The Grifters" (1990), die Medien-Satire "Hero" (1992) mit Dustin Hoffman, die andere Dr. Jekyll-Seite "Mary Reilly" (1996) erneut mit Malkovich, den Western "The Hi-Lo Country" (1998), die Nick Hornby-Verfilmung "High Fidelity" (2000), den ungewöhnlichen Klassenkampf "Liam" (2002) und das völlig übersehene Sozialdrama "Dirty Pretty Things" (2002) mit Audrey Tautou.
 
Nun diese Hommage für die 1944 verstorbene Laura Henderson: Die scheinbare Nichtigkeit der ersten Hälfte erhält durch den Krieg ein gehöriges Maß Betroffenheit. Neben der schönen Geschichte, den spitzen Dialogen, der Dramaturgie zwischen Witz und Melancholie wird "Lady Henderson" durch Judi Denchs Performance ein Muss. Wie ein kleines Mädchen kuckt sie Van Damm hinterher, benimmt sich eingeschnappt und eifersüchtig. Schöne Streitereien werden vom Zaun gebrochen, nur weil es Spaß macht. Frech, exzentrisch, unverschämt, elitär, arrogant - also so richtig zum Gernhaben. Genau wie dieser Film.