24.1.11

Tron Legacy


USA 2010 (Tron: Legacy) Regie: Joseph Kosinski mit Jeff Bridges, Garrett Hedlund, Olivia Wilde, Bruce Boxleitner, Martin Sheen 127 Min. FSK ab 12

Daddel-Dude

Mit einem schwer zu widerstehenden Sog zieht auch der Erbe von „Tron“ - „Tron: Legacy“ - den Zuschauer (männlich!) in seine fantastische Cyber-Welt im Inneren eines Computer-Netzes. Der Fantasy-Film aus dem Jahre 1981 war tricktechnisch eine Sensation und wurde schnell zum Kult. Damals neue, computer-technische Begriffe wie „disk“ oder „Master Control Programm“ bildeten die Eckpunkte einer etwas simplen Handlung, die das Universum der Consolen-Spiele mit gesellschafts-theoretischen, ja sogar spirituellen Inhalten unterfutterte. Leitmotiv war und ist auch heute das Ausbrechen aus festgelegten Bahnen, das Überschreiten von Grenzen. „New Frontier“ ist immer noch ein wesentlicher Begriff der amerikanischen Kultur wie der Hacker-Szene. So kann „Tron: Legacy“ nahtlos an den Vorgänger anschließen und bekommt auch die personelle Kontinuität hervorragend hin:

In einem Kinderzimmer voller Tron-Gadgets erzählt ein älterer Mann dem kleinen Sohn von seinen Abenteuern im System, dem Kampf an der Seite von Tron gegen das MCP. Ist es....? Das kann doch nicht...? Doch, es ist Jeff Bridges als Kevin Flynn, dem Held aus „Tron“, nur wenige Jahre gealtert und computer-technisch geliftet. Mit dem Versprechen einer Fortsetzung schwingt sich Daddy auf seine Ducati und ward jahrelang nicht mehr gesehen. Der fast erwachsene Sam Flynn rast nur einen Schnitt später auf der gleichen Maschine durch L.A., sabotiert in einer atemberaubend spannenden und akrobatischen Action den Riesen-Konzern seines verschollenen Vaters, der in falsche Hände geriet. Ein anachronistischer Pager-Anruf bringt Sam in die Arcade-Halle und mit dem altbekannten Laser-Strahl auch in die Cyber-Welt seines Schöpfers. Hier in den fantastischen Grafiken digitaler Brot und Spiele-Arenen scheint „Tron: Legacy“ sein Erbe zu erfüllen. Doch wenn Sam sofort in die vertrauten, aber noch spektakuläreren Gefechte mit Licht-Frisbees geworfen wird, den vollen Drive der Motorrad-Rennen fühlt, ist der satte und wohlige Trip des Wiedererkennens und erneut Begeisterns noch lange nicht beendet.

Sam setzt die Tradition von „Tron“, von Open Source und allen Hackern fort, indem er die Grenzen des Spiels verlässt. Zuerst trifft er auf Clu, Diktator dieser digitalen Welt und jung gebliebener Klon seines Vaters. Dann, weit draußen im offenen Nichts schließlich den Meister selbst. Kevin Flynn ist hier Jeff Bridges mehr als Jeff Bridges Kevin Flynn ist. Der „Dude“ ist hier zum meditierenden, gar gottähnlichen Daddel-Dude geworden. So wie sich Bridges zu einer Art Obi-Wan Kenobi der älteren Schauspielgeneration enwickelt: Er ist überall und macht mächtig Eindruck. Hat er in dem gleichnamigen Coen-Western den „True Grit“, so verteidigt er hier das „New Grid“, das neue Netz, das Menschen ungeahnte Möglichkeiten eröffnen soll. Doch es gibt immer einen, der mit neuen Techniken auch Schindluder treibt...

„Tron: Legacy“ schafft das Unglaubliche - er wird seinem Erbe gerecht, begeistert erneut mit fantastischen Grafiken, einem atemberaubenden Cyber-Universum und kultigen Szenen. Dabei wurde die im Grunde immer noch einfache Geschichte nicht nur modernisiert, sondern auch klug erweitert. Neben Bridges, den man nicht genug feiern kann, und Michael Sheen, der als barocker Club-Chef Zuse die prallste Szene abseits der rasanten Action hat, muss man unbedingt die Musik von Daft Punk erwähnen. Die französischen Elektroniker - selbst in Zuses Club als DJs zu sehen - legen einen gewaltigen Score hin, der immer wieder den Rest des Films übertönt. Hier haben sie endlich „ihren“ Science Fiction, viel besser als die niedliche Animation „Interstella 5555“. Einen leichten Schleier legt nur die Technik auf das ganze grandiose Spektakel: „Tron“ blieb im Dunklen, um die Tricks etwas zu kaschieren, die technisch ihrer Zeit weit voraus waren. Heute klaut das 3D-Verfahren mit den getönten Brillen Helligkeit, die dunkle Welt mit den grellen Leuchtspuren und den barocken Einsprengseln sieht zwar klasse aus, aber man sieht wegen 3D einfach weniger. Doch was wiegen solche Kleinigkeiten gegen nur einen Spruch vom Dude: „Man kann nur gewinnen, wenn man nicht spielt!“