8.3.22

Parallele Mütter


Spanien 2021 (Madres Paralelas) Regie: Pedro Almodóvar, mit Penélope Cruz, Milena Smit, Rossy de Palma, 120 Min., FSK: ab 6

Seine großen „Leading Ladies" sind wieder am Start, wenn Frauen-Filmer Pedro Almodóvar ein Mutter-Melodram auf die Leinwand zaubert. Bei Penélope Cruz („Offenes Geheimnis"), Rossy de Palma („Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs") und der eindrucksvollen Neueinsteigerin Milena Smit („Cross the Line – Du sollst nicht töten") dreht sich alles um unterschiedliche Verhältnisse zur Mutterschaft. Mit einem bitterbösen Twist der Geschichte.

Aus einer Porträt-Sitzung mit der Fotografin Janis (Penélope Cruz) entsteht ein Kind und eine Geschichte über Kriegsverbrechen der Franco-Falangisten. Damit hat der Archäologe Camarero (José Javier Domínguez) eigentlich schon seinen Job als Erzeuger erledigt - der Rest ist ein großartiger Frauen-Film. Denn die fast 40-Jährige Janis will von der leidenschaftlichen, aber verheirateten Bettbekanntschaft nichts mehr wissen, als der das Kind nicht will. So gebiert sie allein im Krankenhaus, genau wie die noch minderjährige Ana (Milena Smit), ihre Zimmernachbarin. Gemeinsam müssen die beiden Mädchen ein paar Tage nach der Geburt von den Müttern abgesondert behandelt werden. Janis bereut ihre ungewollte Schwangerschaft nicht und ist überglücklich. Ana, das genaue Gegenteil, ein verängstigter und traumatisierter Teenager. Dann kommt zur reifen und zur jungen Mutter noch die geschiedene Teresa (Aitana Sánchez Gijón), die Mama von Ana, hinzu. Ein völlig anderer Typ, denn sie hebt mit einer späten Schauspiel-Karriere gerade egoistisch ab und lässt die Tochter mit der Haushälterin allein in einer Luxuswohnung zurück. Janis und Ana verstehen sich prächtig, doch dann spielen Zufall und das Schicksal ein böses Spiel...

Penélope Cruz spielt eine moderne Frau mit großem Interesse für die Vergangenheit und sehr komplexem Charakter. Großherzig unterstützt sie Ana, völlig egoistisch löscht sie dann nach einer schockierenden Entdeckung mit ihrer Telefonnummer jeden Kontakt. Dass die mittlerweile unabhängige junge Frau später als Babysitter bei Janis einziehen darf und sogar Geliebte wird, hindert Ana nicht daran, fast sadistisch ihr dunkles Geheimnis für sich zu behalten. Die erneut glänzende Cruz ist übrigens selbst Mutter. Sie hat zusammen mit Javier Bardem einen Jungen.

In einer zweiten Haupthandlung dreht sich „Parallele Mütter" um die problematische Aufarbeitung des Spanischen Bürgerkrieges in heutiger Politik. Wobei die Massaker am Anfang einer Reihe von vaterlosen Mädchen in der Familie von Janis steht. Denn ihr Ur-Opa wurde von Francos Schergen am ersten Tag des faschistischen Putsches umgebracht – nachdem er selbst das Massengrab für sich und seine Kameraden schaufeln musste. Auf Betreiben von Janis gibt es nach Jahren endlich öffentliches Geld für Umbettung und Dokumentation der Kriegsopfer. Während Diktator Franco selbst bis 2019 im Valle de los Caídos (Tal der Gefallenen), einer monumentalen Gedenkstätte bei Cuelgamuros in der Sierra de Guadarrama, bestattet war. Der Ort ist weiterhin eine faschistische Pilgerstätte. Auch die Handlungen um den Ur-Großvater im Massengrab dreht sich selbstverständlich um Familie, Mütter und manchmal einsame Töchter.

In Ausstattung und Farbdesign ist Almodovar etwas zurückhaltender als in seinen „Bigger than Life"-Melodramen, zuletzt das autobiografische „Leid und Herrlichkeit" (2019). Die Bereitung einer traditionellen spanischen „Tortilla de patatas" geschieht trotzdem mit einem pinken Messer, mit knallroten und orangen Schüsseln. Da bleibt sich der Regie-Meister treu. Wie im politischen Thema: Wenn Ana sagt „Es waren harte Jahre, aber jetzt will ich leben. Leben und frei sein", dann ist das wie ein Rückblick auf die frühen Filme Almodovars („Pepi, Luci, Bom und der Rest der Bande"), wo 1980 eine junge Generation in der Madrider Movida die Befreiung von Francos erzkatholischem Spanien feierte.

Seit „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs" (1988) sind die Schicksale von (Haus-) Frauen sein Lieblingsthema, mit dem gefeierten Höhepunkt „Alles über meine Mutter" (1999). „Alles" war wohl doch noch nicht auserzählt, wie das Regie-Genie in „Parallele Mütter" zeigt: Zwei tragische Mutter- Schicksale aufs engste miteinander verbunden. Ein großes leidenschaftliches und auch philosophisches Werk über das Leben an sich, wie es in Vergangenheit und den Kindern verankert ist. Eine Vernetzung, die sich auch in der Namensgebung zeigen wird. Nach moralisch und historisch erschütternden Szenen findet der große Spanier ein besonders berührendes und versöhnliches Schlussbild.