Italien 2020 (Tre Piani) Regie: Nanni Moretti, mit Nanni Moretti, Margherita Buy, Riccardo Scamarcio, Alba Rohrwacher, 121 Min., FSK: ab 12
Ein schreckliches Ereignis bringt die Bewohner eines Hauses in Rom zusammen auf die Straße. Ausgehend von diesem einzigen Schnittpunkt erzählt der italienische Autorenfilmer Nanni Moretti („Liebes Tagebuch", „Das Zimmer meines Sohnes", „Mia Madre") vier dramatische Familiengeschichten. Das Kaleidoskop der zerbrochenen italienischen Institution Familie wird mit viel Emotionen und Tragik von einem grandiosen Ensemble präsentiert.
Hochschwanger versucht Monica (Alba Rohrwacher) mitten in der Nacht auf der leeren Straße ein Taxi zum Krankenhaus zu bekommen. Angerast kommt ein anderer Wagen und überfährt auf dem Zebrastreifen eine Frau, bevor er eine Wand durchbricht und in einem Atelier zum Stehen kommt. Dieser heftige Auftakt bringt die Menschen des „getroffenen" Wohnhauses zusammen. Dora (Margherita Buy) und Vittorio (Nanni Moretti) sind die Eltern des betrunkenen Unfallfahrers Andrea (Alessandro Sperduti), der bald verhaftet wird, da die überfahrene Frau tot ist. Monica hat alles gesehen, verschwindet aber schnell mit ihrem Taxi. Und Familienvater Lucio (Riccardo Scamarcio), in dessen Studio das Auto gelandet ist. Wegen der Aufregung geben Lucio und Sara (Elena Lietti) ihre siebenjährige Tochter Francesca (Chiara Abalsamo) zu den älteren Nachbarn Giovanna (Anna Bonaiuto) und Renato (Paolo Graziosi). Der Senior ist zwar leicht dement, kümmert sich aber liebevoll um das kleine Mädchen.
Als der immer mürrische Lucio seine Tochter am folgenden Abend wieder bei den Nachbarn parkt, weil er zum Spinning-Kurs will und dort lüstern auf die Trainerin starrt, passiert das nächste Unglück. Francesca und der alte Renato sind verschwunden. Polizisten und die Familien suchen, der panische Vater erinnert sich an den Lieblingsplatz der Tochter im Park. Dort sitzt sie tatsächlich, sie hatten sich nach dem Eis verlaufen und der senile Mann verletzte sich am Fuß. Weil der völlig Verunsicherte, der sich auch noch in die Hose gemacht hatte, mit dem Kopf im Schoß des Kindes lag, startet eine Maschinerie, um Missbrauch auszuschließen. Gespräche bei der Polizei und bei einer Psychologin machen klar, dass nichts Schlimmes passiert ist. Nur Lucio beharrt seltsamerweise aggressiv auf seinem Verdacht, er will sogar mit Gewalt den Dementen im Krankenhaus zwingen, sich zu erinnern. Und ausgerechnet derjenige, der beim alten Mann Übergriffigkeit vermutet, verfällt dann der dreisten Verführung von Renatos noch minderjähriger Enkelin Charlotte (Denise Tantucci).
Während dieser Seitensprung Lucios vor Gericht landet, ist der alkoholisierte Todesfahrer Andrea längst von seinem Richtervater Vittorio verurteilt. Zwar zeigt der verwöhnte Sohn keinerlei Reue und hofft auf die Beziehungen der Eltern bei der Justiz. Doch ebenso schockend ist die Härte des Vaters gegenüber seinem scheinbar unverbesserlichen Kind. Die Mutter Dora muss sich zwischen ihren geliebten Männern entscheiden und wird sich erst nach einem zweiten Fünfjahressprung der Handlung emanzipieren.
Die Freiheit, welche die einsame junge Mutter Monica über diese Jahre erreicht, ist im Gegensatz zu Doras spätem Frieden eine ganz bittere: Während ihr Mann wochenlang im Ausland arbeitet, bekommt die stille, sensible Frau in ihrer furchtbaren Einsamkeit Besuch vom Schwager, mit dem ihr Gatte zerstritten ist. Und von einem Raben, dem brutal poetischen Hinweis, dass Monica die Visionen und die Geisteskrankheit ihrer Mutter geerbt hat. Monica verschwindet in Panik.
Während der Regisseur, Produzent, Kinobesitzer im römischen Viertel Trastevere und Homo Politicus Nanni Moretti in seinem ersten großen Erfolg „Liebes Tagebuch" (1993) auf der Vespa das sommerleere Rom durchfuhr und zur Vermietung angebotene Häuser besuchte, reduziert „Drei Etagen" alles auf ein Gebäude und die darin komprimierten Dramen. Erstmals verfilmte der Star der intellektuellen Linken Italiens kein eigenes Drehbuch, sondern den Roman „Über uns" des israelischen Schriftstellers Eshkol Nevo, der in Tel Aviv spielt. Das Ergebnis ist ein reduzierter Moretti: Es fehlen die bissigen Kommentare zur gesellschaftlichen und politischen Situation. Die gab es früher als Breitseiten gegen Berlusconi in „Der Italiener" („Il caimano", 2006), immer im Gesamtkonzept der Filme und vor allem in langen Lamentos, wütenden Monologen, die Moretti oft selbst geliefert hat. Moretti ist sichtlich alt geworden und im Gegensatz zu seiner gnadenlosen Figur Vittorio auch sanft.