BRD, Bulgarien 2019 Regie: Katrin Gebbe, mit Nina Hoss, Katerina Lipovska, Adelia-Constance Ocleppo 127 Min. FSK ab 16
Ein Kinobetreiber meinte einmal im Gespräch mit Filmkritikern, das Wort „Problem-Film" sei nicht erwünscht im Text, es würde abschrecken. Mittlerweile sind sogar extreme Problem-Filme angesagt: Nach „Systemsprenger" erzählt auch „Pelikanblut" von einem schwer erziehbaren Kind, konzentriert sich aber auf die opferbereite Mutter und driftet nach langem Leiden ins Okkulte ab.
Die 45-jährige Wiebke (Nina Hoss) ist Spezialistin für schwierige Fälle, das sieht man schon, wenn sie bockige Polizei-Pferde mit viel Geduld zur Zusammenarbeit bringt und zwingt. Sie lebt mit ihrer neunjährigen bulgarischen Adoptivtochter Nikolina auf ihrem Reiterhof. Nun adoptiert sie mit der fünfjährigen Raya ein weiteres Mädchen aus Bulgarien. Das niedlich aussehende Kindlein mit dem blonden Haar erweist sich bald als sehr aggressiv, bösartig, gewalttätig und gemeingefährlich. Das ist eine Belastung für die größere, nun vernachlässigte Adoptivtochter, die schon vorher Albträume hatte. Und für Wiebke, die mit ihren Pferdetrainings-Tricks nicht mehr weiterkommt. Raya beißt und schlägt in Kindergarten und Freundeskreisen um sich. Ein konstant schreiendes Kind trägt auch beim Pferdetraining nicht zur Entspannung bei. Doch trotz der Diagnose einer schweren morphologischen Störung, eines unheilbaren Hirn-Schadens aufgrund frühkindlicher Vernachlässigung, gibt die verbissene Wiebke nicht auf.
Tatsächlich muss man bei so einem kleinen Teufel wie Raya an „Systemsprenger" mit der mächtig aggressiven Benni denken. Wobei es in „Pelikanblut" weniger um das Problem-Kind als um die Problem-Mutter geht. Nina Hoss legt eine ruhige Überlegenheit in den Blick ihrer sichtbar vernarbten Wiebke, aber auch eine Verbissenheit. Die Pferdehof-Mama hat selbst Probleme mit Bindungen und Beziehungen. Der muskulöse und hilfsbereite Polizeireiter, der ihr den Hof macht, wird immer wieder abgewiesen.
Das biblische Motiv des Titels „Pelikanblut" erklärt die Opferbereitschaft einer Pelikan-Mutter, die in ihre eigene Brust sticht, um die eigene Brut mit Blut zu ernähren. Mit Menschen ist das nicht nur anstrengend, sondern auch ermüdend. Man staunt erst über die unendliche Leidensfähigkeit der Adoptivmutter, dann wundert man sich. Wenn die paar Grusel-Elemente und wirklich horrenden Maßnahmen Wiebkes zu einem Exorzismus führen, belastet das Glaubwürdigkeit und Konzept des Films über alle Maßen. Derart irritierte Regisseurin Katrin Gebbe schon mit ihrem Debüt „Tore tanzt". Die Frage, ob das alles Gewinn oder vertane Zeit ist, stellt sich auch dem Zuschauer.