31.10.11

Nur für Personal!

Frankreich 2010 (Les femmes du 6ème étage) Regie: Philippe Le Guay mit Fabrice Luchini, Sandrine Kiberlain, Natalia Verbeke, Carmen Maura, Lola Dueñas 107 Min.

Heutzutage sind Dachwohnungen in der Stadt heiß begehrt - früher wurde dort das Personal in sommerlicher Hitze und der Kälte des Winters ohne fließend Wasser und Toiletten untergebracht. Dass dieses „früher" mit den Sechziger Jahren noch gar nicht so weit zurückliegt, zeigt der sehr schöne, sozial- und auch sonst romantische Film von Philippe Le Guay „Nur für Personal!". Mit bestem französischem und spanischem Personal besetzt, führt er einige Jahre vor den 68ern in einem Pariser Mietshaus eine kleine Revolution auf.

Eigentlich eine Lachnummer, dieser steife Aktienberater Jean-Louis Joubert (perfekt: Fabrice Luchini): Im Kontor gewissenhaft und korrekt, die Ehe zuhause mit Frau Suzanne Joubert (herrlich zickig: Sandrine Kiberlain) scheint ebenfalls mehr auf Kalkül als auf Leidenschaft zu basieren. Bis ein neues spanisches Hausmädchen aufgetaucht, eingeführt von ihrer Tante Concepción Ramirez (Carmen Maura). Die Toast sind zwar angebrannt und die Eier zu hart, aber der Streit mit María Gonzalez (Natalia Verbeke) ist leidenschaftlich. Aus der kleinen Gefühlsregung wird eine große - langsam und kaum auffällig, wie es sich für einen Joubert aus der besseren Gesellschaft gehört.

Der Patron, der Ewigkeiten nicht mehr in der 6. Etage mit den Dienstboten-Wohnungen war, zeigt sich plötzlich solidarisch, setzt sich ein und macht die Signoras glücklich. Joubert interessiert sich, lernt selbst spanisch. Als er sogar sein Telefon zur Verfügung stellt, ist er schon ein Heiliger. Auch Joubert selbst wird durch den Umgang mit den lebendigen Spanierinnen im Allgemeinen und María im Besonderen immer glücklicher, was für die verwöhnte Ehefrau, vom Nichtstun dauernd furchtbar erschöpft, noch unerträglicher ist. Aufgrund eines eifersüchtigen Missverständnisses - was sich vor ihrer Nase entwickelt, kann sie vor lauter Klassendünkel gar nicht begreifen - wirft Suzanne ihren Mann raus. Der zieht nun selbst in die 6. Etage, zufällig ist ein Zimmer frei, und für die traditionelle Concierge des Gebäudes steht die Welt Kopf. Nur ausgerechnet die zynische, bissige Kommunistin unter den Angestellten besteht auf Klassentrennung und reiht sich nicht in die allgemeine Freude ein. Hier, ohne Heizung und mit nur einem Wasserhahn auf dem Gang, fühlt Joubert sich endlich frei. Nun berät er die wunderbaren Frauen anlagetechnisch bis sie Aktienkurse lesen und genießt Picknicks mit Paella. Der steife Anlageberater macht sich nicht mehr lächerlich sondern locker.

Aus dem armen Kerl zwischen allen Fronten wurde ein Mann, der sein Leben in die Hand nimmt und dabei auch Grenzen von Konvention und Klassen überwindet. Er, der vorher Anteile an erfolgreichen Firmen hatte, nimmt nun Anteil an seinem Mitmenschen, selbst an den für einige unsichtbaren. Er ist Teil einer grandiosen Solidarität der spanischen Hausmädchen. Jean-Louis lebt auf wie nie zuvor, das Publikum genießt mit und amüsiert sich köstlich. Die liebenswerten Figuren dürfen die Klischees ihrer Rollen voll ausspielen aber auch variieren. Die stolze Spanierin María gibt sich nicht so einfach hin und macht Joubert zumindest das Liebesglück recht schwer. Doch etwas Zeit zum Nachdenken und zur Entwicklung schadet auch diesem wunderbaren Wohlfühlfilm überhaupt nicht.