Frankreich 2010 (Le Nom Des Gens) Regie: Michel Leclerc mit Sara Forestier, Jacques Gamblin, Zinedine Soualem, Jacques Boudet 103 Min. FSK ab 12
Woher anders als aus Frankreich kann diese herrlich komische und sehr gewitzte Amour fou kommen? Ein wilde Leidenschaft mit verrückter, junger Frau und seltsamen Herrn. Politisch sind Bahia Benmahmoud (Sara Forestier) und Arthur Martin (Jacques Gamblin) auf der gleichen, (ge-)rechten linken Seite. Eigentlich. Sie schläft allerdings mit Rassisten, Rechten und Faschisten, um diese zu bekehren. Er trauert der historischen Niederlage von Lionel Jospin nach. Sie ist halb algerischer Abstammung. Seine Mutter verdrängt die jüdischen Eltern und deren Tod in Auschwitz. Viel Zündstoff also eigentlich, doch „Der Name der Leute" zündet zuerst mit Witz und einer herrlich munteren Erzählweise.
Arthur Martin beginnt seine Geschichte mit der sehr komischen Vorstellung der Lebensgeschichte seiner Eltern, bei der sich der Biologe seinen Vater nur als alten Mann vorstellen kann. Dabei taucht der erwachsene Arthur auch als Kommentator in früheren Lebensphasen auf, spricht mit jüngeren Ausführungen seiner selbst und ebenso mit seinen Großeltern. Die hießen Cohen und Arthur weiß so gut wie nichts von ihnen. Arthur Martin heißt wie eine in Frankreich sehr bekannte Haushaltsmarke. Bahia Benmahmoud hat hingegen einen extrem seltenen Namen und widerspricht dem Fachmann Arthur und seiner Panikmache um Schweine- und Vogelgrippe. Das zweite Mal treffen sie sich, als Bahia den Rechten Jacques Chirac zum Präsidenten wählen musste, um ihre Stimme nicht dem noch rechteren Le Pen zu geben. Ein Drama! Sie ist eine sehr chaotische Frau mit bewegtem Leben, gutem Herzen und einfachem Wertesystem. Dabei vergisst sie vor lauter Terminen im Telefonstress schon mal, sich etwas anzuziehen, und merkt es erst in der Metro gegenüber der Frau in der Burka. Zwei spannende, vielschichtige Leben kommen da zusammen, wobei der Witz niemals zu Klamauk wird. Denn obwohl Regisseur Michel Leclerc Bahias Trauma von zwei Jahren Missbrauch durch den Klavierlehrer in pointierten Szenen nur andeutet, wird die Beschädigung ernst genommen.
So gelingt eine kluge Komödie, die dadurch nicht weniger komisch ist. Die Schwierigkeiten des ersten Essens mit den Schwiegereltern, bei denen man über gar nichts reden darf, ist eine wunderbare Umsetzung einer Gesellschaft des Verschweigens. Der vorhersehbare Streit zwischen Algerien-Kämpfer und algerischem Kriegs-Waisen entspannt sich, als eine kleine Sabotage die Kaffeemaschine lahmlegt und die Väter sich beim Reparieren unterstützen. „Der Name der Leute" erzählt so nebenbei die politische Geschichte Frankreichs und eine Geschichte der technisch überlegenen Geräte, die sich nicht durchsetzen. Das politische Äquivalent dazu war Lionel Jospin. Der sehr gelungene Spaß unterhält mit tollen Schauspielern und vielen überraschenden Schnitten. Wie den nach einem leidenschaftlichen Kuss zwischen Bahia und Arthur direkt zu einer Hochzeit - mit einem anderen. Der brauchte eine Aufenthaltsgenehmigung und eigentlich könne auch Arthur ja mal eben eine Scheinehe zur Einbürgerung durchziehen...
„Der Name der Leute", dessen Originaltitel „Le Nom Des Gens" auch auf unsere Gene anspielt, bietet einen schönen Querschnitt durch die Gesellschaft, ist im liebend leichten Verlauf ein Anti-Sarkozy und Anti-Sarrazin, dabei so klug witzig wie „Sein oder nicht sein" von Lubitsch.