Frankreich 2010 (Potiche) Regie: François Ozon mit Catherine Deneuve, Gérard Depardieu, Fabrice Luchini, Karin Viard, Judith Godrèche 103 Min.
Eine französische Screwball-Komödie mit Catherine Deneuve und Gérard Depardieu. Wie toll! Nun muss man den Jüngeren vielleicht erklären, was eine Srewball-Komödie ist, eventuell auch, wer Deneuve und Depardieu sind. Dass dieses cineastische „Schmuckstück" von François Ozon ist, macht den Spaß noch etwas spezieller...
Fabrice Luchini spielt wie schon bei „Les femmes du 6ème étage" wieder den Boss, der Probleme mit Frau und Personal hat. Diesmal ist seine Figur Robert Pujol allerdings ein ausgesuchtes Ekel. Voll die 70er kommt er mit einem Kofferradio in der Hand die Treppe herunter und motzt: Madame Pujol (Catherine Deneuve) soll keine Fragen stellen, soll kein Frühstück machen, soll nur Madame Pujol sein. Ein Schmuckstück - eine „Potiche", eine Ziervase. Wenn man sie in der Anfangsszene selig in lieblicher Natur joggen sieht oder wenn sie - wieder farblich perfekt mit der Umgebung abgestimmt - in der Küche ein Liedchen trällert, dann scheint ihr diese Roll zu passen.
Doch ein Streik seiner Arbeiter fällt den galligen Pujol per Herzattacke. Nun übernimmt Suzanne Pujol, die Tochter des Firmengründers, wieder die Führung der Regenschirm-Fabrik. Sie macht sich nur noch etwas frisch - die Kleidungsfrage ist ebenso wichtig wie die Klassen-Frage - und tritt mit Pelz und Perlen den Gewerkschaftsvertretern gegenüber. Während der Gatte in Anlehnung an Sarkozy meint, „wenn die Arbeiter mehr Geld wollen, sollen sie mehr arbeiten", verständigt sich Madame Pujol mit allen. Sogar mit der Sekretärin, die nur zu gerne die Rolle der Ehefrau übernehmen würde und auch mit intimen Handreichungen vertraut ist. Tochter und Sohn Pujol sollen endlich in der Firma mitarbeiten. Der kunstsinnige, unübersehbar schwule Sohn lässt sich einspannen und entwirft herrlich poppige Regenschirm-Designs. Mit dem kommunistischen Bürgermeister Maurice Babin (Gérard Depardieu) zieht Suzanne in die anrüchige Bordell-Disko, die dem holden Gatten immer für „Geschäftsgespräche" diente. Hier lebt die Affäre wieder auf, die Suzanne und Maurice kurz vor ihrer Hochzeit hatten. Nach einigen Monaten unter der Führung von Madame Pujol blüht auch die Regenschirm-Produktion auf, doch dann kehrt der erholte Herr Pujol von seiner Kreuzfahrt zurück. Er ist jetzt das „Potiche", das Schmuckstück, und muss zuhause Hausfrauen-Sendung schauen. Im Streit um die Herrschaft über die Firma gewinnt er mit fiesen Tricks, doch Suzanne Pujol will jetzt gleich in die Politik: Wenn ich bisher den Haushalt und die Firma Pujol aufräumen konnte, dann werde ich auch das Land aufräumen...
Srewball war der vom rasanten Wortwitz angetriebene Komödien-Spaß aus dem Hollywood der 50er-Jahre. Die Figuren waren gut situiert und seltsam - das passt zu den Pujols. Auch an vielen anderen Ecken ist „Das Schmuckstück" Zitat und ein Vergnügen für Cineasten, angefangen mit der wunderschönen Idee, die Deneuve, die mit „Die Regenschirme von Cherbourg" vor 46 Jahren berühmt wurde, wieder ins Regenschirmgeschäft einsteigen zu lassen. Und das mit einer völlig verspielten Fabrikation, künstlich wie Willi Wonkas Schokoladenfabrik. „Das Schmuckstück" schmückt die Karriere der Deneuve vortrefflich: Traumhaft, wie sie morgens beim Joggen die Rehlein, die Täubchen und die rammelnden Häschen begrüßt. Solch kitschig-verrückte Szenen macht François Ozon kaum jemand nach. Auch die Lied-Einlagen nicht, die vor allem als Hommage an die große Zeit des Hollywood und des französischen Musicals gedacht sind. In der schönsten Verbindung beider, in „Die Mädchen von Rochefort", spielte, sang und tanzte Catherine Deneuve mit Gene Kelly die Hauptrolle. Da gibt es selbstverständlich auch jetzt eine typische Gruppentanz-Einlage, wie in Ozons etwas weniger lieblichen „Tropfen auf heiße Steine" und in seinem Erfolg „8 Frauen".
Fabrice Luchini erweist sich in „Das Schmuckstück" wieder als großartiger Komiker. (Während das weitere Casting eine gewisse Verachtung für die Arbeiterklasse zeigt.) Deneuve macht mit Ausstrahlung wett, was ihr an Tempo fehlt. Ihr gebührt auch die letzte große Ozon-Szene: Suzanne Pujol beendet ihre Siegesrede mit einem Chanson, „C'est beau la vie"! Diese nette Komödie ist auf jeden Fall schön.