30.3.10
Lourdes
Österreich, Frankreich, BRD 2009 (Lourdes) Regie: Jessica Hausner mit Sylvie Testud, Léa Seydoux, Gilette Barbier, Gerhard Liebmann, Bruno Todeschini, Elina Löwensohn, Katharina Flicker 90 Min. FSK: o.A.
Seltsam, sehr seltsam sind die Welten der Jessica Hausner („Lovely Rita“, „Hotel“). Eigentlich könnten es fast Dokumentationen sein, so klar und mitten aus dem Leben erscheinen sie. Allerdings gibt die Regisseurin aus Österreich ihren Inszenierungen etwas mit, dass diese Welten verrückt oder entrückt wirken. So sehen einige „Lourdes“ als Religions-Satire, andere als Psychodrama, etwas vom Horror-Film haben die Vexierbilder auch immer mal.
Eine Pilgerreise nach Lourdes zeigt uns eine gespannt aufgeregte Reisegemeinschaft. Klare Anweisungen in der Kantine einer Pilgerpension durch die Malteser-Schwester Cecile (Elina Löwensohn) erläutern den Heilsuchenden und auch den Zuschauern den Ablauf dieser Wallfahrt. Es sind gebrechliche und gesunde Menschen, Schwerkranke und Angehörige. Und es ist eine nahezu industrielle Heilungs-Abfertigung, die sich in den nüchternen Bildern zeigt. Diese ambivalenten Blicke der langen Kamera-Einstellungen werden detektivisch, als eine Frau aus der Gemeinschaft Anzeichen einer Heilung zeigt. Dadurch wird die Zimmernachbarin, die schon viel länger nach Lourdes kommt, kaum verstellt eifersüchtig. Die Kellner applaudieren und es gibt ein albernes Hütchen.
Plötzlich zeigt auch die mit Multiple Sklerose an den Rollstuhl gefesselte Christine (Sylvie Testud) Zeichen einer Wunderheilung. Es ist ein echtes Wunder, dass sie gleich losmarschiert, sogar eine Bergwanderung macht. Doch noch sind einige kirchen-bürokratische Hürden zu nehmen, bis die Heilung anerkannt wird. Der Preis des „Besten Pilgers des Jahres“ für Christine stellt keine Überraschung mehr dar. Doch bei der abendlichen Feier - mit dem „Felicità“ eines billigen Schlagerheinis - bricht die Frau zusammen.
Was entlarvt dieser Film? Das Triumvirat der Scheinheiligkeit, das sich abends zu zynischen Kommentaren immer einen trinkt? Die naiven Hoffnungen der gläubigen Pilger? Oder den voreingenommen kritischen Blick des aufgeklärten Kinogängers? Jessica Hausner („Hotel“) lässt dies in ihrem auf positivste Weise ambivalenten Film von Anfang bis zum Ende offen. Die langen Einstellungen im Essenssaal, die überstilisierten Räume, die nur auf den ersten Blick klischeehaften Figuren, die oft eine ganz andere Seite verbergen. All dies lohnt genaues Hinsehen, das mal nicht durch eine rasche Bilderflut oder durch Effekte gefesselt wird. Der raffinierte Vexierfilm „Lourdes“ erlaubt Einblicke und Gedanken, die man vorher nicht unbedingt gesucht, nachher aber auf keinen Fall missen möchte.