23.3.10

Blind Side


USA 2009 (The Blind Side) Regie: John Lee Hancock mit Sandra Bullock, Tim McGraw, Quinton Aaron, Jae Head 128 Min. FSK ab 6

Verdient Sandra Bullock einen Oscar? Diese Frage spaltet einen Teil der Welt (der gerade keine anderen Probleme hat). Dazu passt, dass der Star am Abend vor der Oscar-Verleihung für den Film „Verrückt nach Steve“ (Start: 29. April) eine Goldene Himbeere als Schlechteste Schauspielerin persönlich entgegen nahm. Abgesehen, dass sie als kluge Frau und Produzentin mit ihren Rollen(-klischees) durchaus spielen kann und keine Scheu hat, sich selbst auf den Arm zu nehmen („Miss Congeniality“), zeigt das humorvolle Sozial-Rührstück „Blind Side“, was Sandra Bullock drauf hat.

Mit Leigh Anne Tuohy (Sandra Bullock) aus Memphis ist nicht zu spaßen! Die im Toaster gebräunte, reiche weiße Schnepfe in ihren weißen Kostümchen - nur das Goldgehänge ist nicht Weißgold, sondern goldig Gold - sagt jedem ihre Meinung. Selbst im Revier der Schwarzen droht sie dem echt gefährlichen Obermacker mit ihrem Mini-Handtäschchen. Oder genau: Mit der Mini-Pistole, die sich angeblich darin verstecken soll, angeblich. Leigh Anne Tuohy wäre das Muster einer furchtbaren Zicke, wenn sie nicht das Herz genau auf dem rechten Fleck hätte.

So ist auch sie der Star dieses Films und nicht der obdachlose, scheinbar lernbehinderte riesige schwarze Junge, den alle Big Mike nennen. Wie Leigh Anne Tuohy dieses stille und hilflose Riesenbaby ganz wortwörtlich aus dem Regen holt, ihm erst einen Schlafplatz, dann ein Zimmer und schließlich einen Platz im Herzen ihrer Familie gibt, ist die rührende Story. Dass aus Big Mike ein erfolgreicher Football-Spieler wurde, die wahre Sport-Geschichte dahinter. Doch wie Leigh Anne Tuohy einem das Football-Spiel mit den Metaphern einer Familienmutter erklärt, wie sie Mike mit ihrer frechen Schnauze einer Löwenmutter gleich wie eines ihrer eigenen Kinder verteidigt, das ist die Attraktion und die reich sprudelnde Humorquelle dieses Films. Dafür bekam Sandra Bullock verdient den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle 2009.

Sandra Bullock überzeugt in ihrer Rolle mit einem schön bodenständigen, manchmal herrlich schnoddrigen Dialekt. Die deutsche Synchronisation lässt diesen Tonfall völlig unter den Tisch fallen und nimmt dem Film damit einen Großteil seiner Überzeugungskraft.

„Blind Side“ ist ganz banal das Feld hinter dem Rücken eines Spielers, in dem er einen Gegner nicht sehen kann und in dem er besonderen Schutz von Mitspielern braucht. „Blind Side“ ist aber auch die Seite der Stadt, die man als wohlhabender Bürger nicht sieht und wo man schon gar nicht hingeht. Dass dort viele arme schwarze Kinderchen zu retten sind, soll die soziale Botschaft von „Blind Side“ sein. Aber er ist eher ein Film zum Wohlfühlen, nicht besonders kritisch und zu schön, um wahr zu sein. Zum Glück startet auch heute in den Kinos die glaubwürdigere, auch „wahre“, aber sozial wesentlich rauere Geschichte von „Precious“. Das ebenfalls ziemlich üppige schwarze Mädchen Precious zieht im Gegensatz zu Big Mike keinen Lottogewinn in Form reicher Republikaner. So ist „Precious“ exakt der blinde Fleck von „Blind Side“.