15.12.09
Stille Hochzeit - Zum Teufel mit Stalin
Rumänien, Frankreich, Luxemburg 2008 (Nunta Muta) Regie: Horatiu Malaele mit Meda Andreea Victor, Alexandru Potocean, Valentin Teodosiu 87 Min. FSK: ab 12
Tod und Hochzeit und wieder Tod ganz nah beieinander. Komödie, Tragödie, Polit- oder Historien-Film? Die rumänische „Stille Hochzeit“ zeigt ein Dorf, überbordend mit Leben, Lust, Streit und Gelächter. Ein Dorf, das nicht mehr existiert. Die Grobheiten des ländlichen, osteuropäischen Alltags und die Poesie einer vergangenen (Kino-) Epoche. Schwer einzuordnen, aber ein grandioses und schönes Stück Kino.
Soll man anfangen im Heute, in dem alles besser sein soll? Oder in der Vergangenheit unter der Fuchtel der Sowjet-Armee, dem „schlimmen“ Gestern, das allerdings in Farbe gezeigt wird? Damals strotzte das Dorf nur so vor prallem Leben und deftigen Typen. Mittendrin liegen und lieben sich Mara (Meda Andreea Victor) und Iancu (Alexandru Potocean) im Feld. Das wird von einem Liliputaner sowie einem kleinen Jungen beobachtet und nach der Heimkehr auch handgreiflich kommentiert. Doch alles wird nicht so heiß gegessen, wie es diskutiert wird. Bald kommt auch schon die nächste Aufregung um die Ecke oder die vier linientreuen Kommunisten marschieren albern durchs Dorf.
Es ist das Jahr 1953 in Rumänien, einige gehorchen freudig dem großen russischen Bruder, andere sind schon enteignet worden, aber die meisten trinken tapfer weiter in der einen Kneipe mit der einen Prostituierten. All diese „deftigen Typen“ sind nicht einfach Kopien ihrer folkloristischen Vorgänger aus vielen Filmen und Geschichten. Der aufbrausende Kneipen-Streit, in dem die Väter der Liebenden immer wieder aufeinander losstürmen und von den genauso lauten Nachbarn auseinander gehalten werden, ist zur liebevollen Parodie übertrieben. Ein freundlicher Spaß, denn ein paar Minuten später werden die Streithähne als Schwiegereltern miteinander saufen: Donnerstag soll Hochzeit sein.
Also schlachtet man eifrig, lieb sich noch ein wenig und schon legt die Roma-Band zünftig los. Doch ein Russe verdirbt den Spaß. Der Standort-Kommandant gibt bierernst und gnadenlos bekannt, dass Stalin in der letzten Nacht verstorben sei und alle sozialistischen Brüdervölker sieben Tage lang trauern würden. Keine Feste, keine Hochzeiten und keine Begräbnisse. Und wie kommt Stalin unter die Erde? Uups - selbstverständlich auch keine Witze. Dieser hätte dem Ortsvorsteher fast das Leben gekostet.
Dass der strenge Soldat vorher die verrückte Schöne, die Feen gleich durch den Wald lief, vergewaltigte und tötete, ist eine bittere Note, die jedoch schnell wieder mit schelmischen Streich der bauernschlauen Dörfler überspielt wird. Hochzeit verboten? Dann umwickeln wir die Stuhlbeine und Gläser mit Leinen, nehmen das Besteck weg und feiern eine stille Hochzeit. Mit stummen Reden, lautlosem Klatschen, ganz stiller Post und einem Magenknurren beim Essen, dass wie Donnerhall klingt. Ein grandioser Höhepunkt des feinen, poetischen Humors. Dem im Lauf des Lebens wieder ein tragisches Ereignis folgen wird ...
In „Stille Hochzeit“ gewinnen Lachen, Hoffnung und Poesie in der ausufernden Fülle dieses bäuerlichen Lebens. Auch wenn der letzte Witz ein bitterer ist: Wo einst Dorf war, hat der Kommunismus eine brutal hässliche Fabrik hingesetzt. Die der Kapitalismus jetzt wiederum abreißen will, um ein neues Dorf zu bauen, einen Freizeitpark!