20.12.09

Interview Fatih Akin zu „Soul Kitchen“


Venedig. Im Jahre 2004 einen „Goldenen Bären“ für „Gegen die Wand“. 2007 „Bestes Drehbuch“ in Cannes für „Auf der anderen Seite“. Und nun mit "Soul Kitchen" im September den Großen Preis der Jury in Venedig. Nur wenige Regisseure konnten auf den drei großen Filmfestivals absahnen. Der Hamburger Fatih Akin hat diesen „Grand Slam“ schon mit 36 Jahren erledigt. Im vergangenen Jahr erhielt der international bejubelte deutschen Filmemacher die „Karlsmedaille für Europäische Medien“ in Aachen. Nach einer ausgelassenen Premierenparty, bei der Akin selbst am Plattenteller stand und sein Gefühl für Soul bewies, interviewten ihn Maria Giovanna Vagenas und Günter H. Jekubzik.

Fatih Akin erzählt in seinem sechsten Spielfilm „Soul Kitchen“ die prall mit Humor und Lebenslust aufgeladene Geschichte eines Hamburgers griechischer Abstammung (Adam Bousdoukos), der sein cooles Szene-Lokal retten will, während ihn seine Freundin verlässt und sein Bruder (Moritz Bleibtreu) den Laden verzockt.

Wann hattest Du die Idee zu „Soul Kitchen“?
Im Frühjahr 2003 hatte ich gerade den Schnitt von „Gegen die Wand“ beendet und war pleite. Daher benötigte ich dringend ein neues Projekt. Ich habe also eine erste Fassung von „Soul Kitchen“ geschrieben, weil ich dachte, dass ich diesen Film leicht und schnell realisieren könnte. Was das Thema betrifft, habe ich mich von einem Ort inspirieren lassen, den ich sehr gut kannte: Das Restaurant meines besten Freundes Adam Bousdoukos (Koautor und Hauptdarsteller), ein Ort, der fast wie ein Zuhause für mich war und an dem wir sehr oft Partys gefeiert haben. Ich wollte in Hamburg, in meiner Stadt, mit Video drehen und das Ganze im Handumdrehen fertig stellen.

„Soul Kitchen“ ist Deine erste Komödie...
Nachdem ich so viele ernste Filme gedreht habe, denen ich meine Bekanntheit verdanke, habe ich mir gesagt, dass ich nicht mein ganzes Leben lang mit einem einzigen Kinogenre in Verbindung gebracht werden möchte.

Ist „Soul Kitchen“ tatsächlich vom Adam Bousdoukos’ wirklichen Leben inspiriert?
Adam ist neun Jahre lang Restaurantbesitzer gewesen. Meine Freunde und ich waren seine Stammkunden. Sein Restaurant war so etwas wie ein Treffen der Bohemiens mit einem ganz bunt gemischten Publikum; es gab Musiker, Freaks, Arbeiter, Künstler und Studenten. Ich ging oft mit meiner Frau und meinem Sohn dorthin essen; ich brauche Dir nicht zu sagen, dass ich nach dem Essen nie gleich arbeiten konnte und immer ein paar Stunden brauchte um wieder arbeiten zu können, weil das Essen schwer war...

Das Drehbuch, das auf den ersten Blick so leicht und geistreich wirkt, ist bei näherem Hinsehen sehr komplex. Wie hast Du mit Adam diese Komödie geschrieben?
Alle Charaktere und Situationen des Films waren gewissermaßen schon da, sie waren ein Teil unseres Lebens. Die Geschichte von Zinos’ Bruder, zum Beispiel, ist die wahre Geschichte eines Freundes, der im Gefängnis gelandet war, weil er mit Marihuana gedealt hatte, und eine Arbeit finden müsste, um während des Tages aus dem Gefängnis herauskommen. Ich war von der Idee sehr angetan, ihn irgendwie in unser Projekt einzubeziehen, so habe ich seine Geschichte in das Drehbuch mit einbezogen. Mein Freund hat mich nur darum gebeten, sie ein bisschen zu verändern. Im Film sitzt daher der Bruder des Protagonisten wegen Spielschulden im Gefängnis. So kann dessen Mutter den Film anschauen ohne zu merken, dass er damit gemeint ist!

Welche Regisseure haben Dich bei der Entstehung dieses Filmes beeinflusst?
Unter den Zeitgenossen würde ich Woody Allen, die Coen-Brüder und Jim Jarmusch erwähnen, wenn man die Vergangenheit betrachtet dann Ernst Lubitsch und Billy Wilder und, selbstverständlich, Buster Keaton und Chaplin. Ich habe versucht mich von all diesen unterschiedlichen Typen von Humor inspirieren zu lassen und sie miteinander vermischt, obwohl es mir bewusst war, dass ich damit das Risiko einging, mich mit einem zusammenhanglosen Flickwerk wieder zu finden.

Während der Vorbereitungen zu diesem Film hast Du spezielle Recherchen über Gastronomie und die Speisen unternommen?
Auch in diesem Fall habe ich Anleihen bei anderen Filmen genommen: „Eat, drink, man, woman“ von Ang Lee ist für mich diesbezüglich ausschlaggebend gewesen; wie auch „Big Night“ von Stanley Tucci, ein eine hervorragende Komödie über zwei Brüder, die Restaurantbesitzer sind. Die Art und Weise, wie in „Soul Kitchen“ Pasta zubereitet wird, habe ich wortwörtlich von Big Night abgeschaut! (lacht) Sagen wir lieber, dass ich damit eine Art von Hommage an Stanley Tucci machen wollte!
 
Musik ist ein wichtiges Element in Soul Kitchen. Im Film gibt es viel Soul Music, aber auch Rembetiko und deutsche Schlager; die vielseitige Zusammenstellung gibt die ethnische Vielfalt der Charaktere sowie Deine Musikleidenschaft sehr gut wieder. Wie kam der Soundtrack zustande?
Meine Idee war, einen Soundtrack zu schaffen, der die Atmosphäre der Stadt reflektiert. So wie ich es zuvor für „Crossing the Bridge“ und Istanbul getan hatte. Hamburg ist eine echte Soul-City - mit den besten Soul-Clubs der Welt außerhalb der Vereinigten Staaten. Bis vor ein paar Jahren gab es noch zwei legendäre Clubs in der Stadt: den „Mojo Club“ und „Soul Kitchen“ eben. Jedes Wochenende wurden Soul-Partys veranstaltet. Selbstverständlich gibt es in Hamburg auch viel elektronische Musik mit einigen berühmten DJs, die in die USA eingeladen werden und eine sehr gute Rock-Szene.