5.10.09
Unter Bauern - Retter in der Nacht
BRD, Frankreich 2008 (Unter Bauern - Retter in der Nacht) Regie: Ludi Boeken mit Veronica Ferres, Armin Rohde, Lia Hoensbroech, Martin Horn, Margarita Broich 100 Min. FSK ab 12
Menne Spiegel (Armin Rhode) war einst ein erfolgreicher Pferdehändler in Ahlen und Umgebung. Jetzt im Jahr 1943 soll er mit seiner Familie deportiert werden, sie sind Juden. Spiegel arrangiert für seine Frau Marga (Ferres) und die Tochter Karin (Luisa Mix) ein Versteck bei seinem Kriegskameraden Heinrich Aschoff (Martin Horn) auf dem Land. Menne selbst übernachtet anfangs in der Nähe in Scheunen und im Wald. Die katholischen Bauern gehen ein großes Risiko ein, denn auf die Tat steht die Todesstrafe. Die Tochter der Aschoffs ist Hitler-Fan und flirtet mit einem strammen Jung-Nazi. Und schon bald fliegt die Tarnung auf, Anni ist entsetzt, versteht aber, als sie hört, was den Juden bereits angetan wurde. Aus dem Hitler-Mädel wird Margas Freundin - bis heute.
Denn „Retter in der Nacht“ (so der Titel von Marga Spiegels Buch) ist eine wahre Geschichte, eine fast unglaubliche Geschichte: Weil von den 78 Juden, die zur Zeit der Dritten Reiches in Ahlen lebten, nur drei überlebten. Die drei dieses Films. Und fünf mutige Bauern aus Westfalen gehören zu den 455 so genannten „Judenrettern“, die in der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem gewürdigt werden. 455 unter den 70 Millionen Deutschen von damals!
In ihren Erinnerungen „Retter in der Nacht“ erzählt Marga Spiegel, die Tante von Paul Spiegel, dem verstorbenen Präsidenten des Zentralrats der Juden, von ihrer Flucht vor den Nazis. Die Verfilmung ist ein Projekt, das mit viel Begeisterung, Ausdauer (auf der Seite des Produzenten Joachim von Mengershausen) und guten Absichten realisiert wurde. Das Ergebnis bleibt hinter all diesen Bemühungen zurück. Veronica Ferres, Armin Rohde, Margarita Broich, Lia Hoensbroech und Martin Horn spielen die Hauptrollen und ausgerechnet der „Star“ Ferres bildet eine schwierige Leerstelle im Zentrum der Geschichte. Erstaunlich ausdruckslos erlebt sie die Dramen um sie herum gerade nicht mit und hebelt damit das Funktionieren des Films über die emotionale Beteiligung der Zuschauer aus. Denn klassisch müsste das Gesicht der Hauptperson der Spiegel aller Gefühle sein.
Beeindruckend wirken dagegen die Schauspieler Martin Horn (Heinrich Aschoff), Margarita Broich (Maria Aschoff) und Lia Hoensbroech (Anni Aschoff). Über ihr lebendiges und sehr glaubwürdiges Spiel würdigt „Unter Bauern“ vor allem die uneigentlichen Helden, die Retter, die nicht zum Widerstand gehörten, die keine Anti-Faschisten waren und die auch schon mal dachten, die Juden seien an Irgendwas schuld. Sie schicken ihren Sohn an die Ostfront und die Tochter Anni ist anfangs Hitler-Fan, bevor sie zur Freundin von Marga wird. Aber wenn es darum ging, Menschenleben zu retten, schreiten die Bauern beherzt und ohne viele Worte zu verlieren, zur Tat. Gedreht wurde diese Hymne auf die Retter, die ruhig mehr Dialekt vertragen hätten, authentisch vor Ort im Münsterland unter anderem in Billerbeck, Dülmen und Oer-Erkenschwick. Förderung gab es für das historische Drama von der Filmstiftung NRW, ebenfalls lokal verbundener Ko-Produzent und Verleiher ist Werner Wirsing mit seiner 3L Filmproduktion.