28.10.09

Günter Wallraff: Schwarz auf Weiß


BRD 2009 (Günter Wallraff: Schwarz auf Weiß) Regie: Susanne Jäger, Pagonis Pagonakis mit Günter Wallraff, 82 Min.

Seit einer Woche ist der Dokumentarfilm des Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff nun in den deutschen Kinos enthüllt. Zeit genug, um nicht nur den Film, sondern auch die Reaktionen darauf zu betrachten. Günter Wallraff genießt wegen seiner unbestrittenen Verdienste Bestandsschutz, aber mit diesem Film tut er sich und seinem Anliegen keinen Gefallen. Zu naiv geht er vor, zu leicht lassen sich die grob provozierten Fälle von Rassismus argumentativ aushebeln.

Günter Wallraff hat als verkleideter Undercover-Journalist die Bild-Zeitung entlarvt, als Ali die Arbeitswelten „Ganz unten“ bloßgelegt und auch Einblicke in die brutalen Verhältnisse in Call-Centern gewährt. Seine mutige und engagierte Methode gegen soziale Missstände in Deutschland basiert auf der Erfahrung von Unrecht an der eigenen Haut. Um nun Rassismus gegen Schwarze zu erfahren, lässt sich Wallraff das Gesicht und die Hände schwarz anmalen, setzt sich eine Afrolook-Perücke auf und dunkle Kontaktlinsen ein. Dann reist er durch Deutschland, geht dahin, wo Rassismus, Dumpfheit und Brutalität vermutlich gehäuft anzutreffen sind. Zu den Epizentren des deutschen Wesens: Fußballplatz, Schäferhund-Verein, Kneipe und Campingplatz. Die mit versteckter Kamera aufgenommenen Reaktionen sind wie erwartet und doch erschreckend: „Geh nach Afrika. Hier war jemand zu lange auf der Sonnenbank. Deutschland ist ein weißes Land.“ Solche Sätze fallen immer wieder, die Blicke des Gegenübers - auch bei vielen braven Bürgern - sind vielsagend.

Naiv wie Michael Moore macht sich Wallraff als Somalier Kwami Ogonno, der im Goethe-Institut fünf Jahre Deutsch gelernt hat, an den Feind. Er arbeitet bei der Uhrhändlerin, welche die Golduhr krampfhaft nicht loslassen will, mit einem schwarz-weißen Vorher-Nachher-Vergleich auf dem Niveau von billigen TV-Sendungen. Zudem widerspricht er sich selbst: Wenn er mal nicht mit unzeitgemäßer Frisur und altmodischem Hemd auftritt, wenn er nicht mehr linkisch mit seiner immer präsenten Einkaufstasche herumschlackert und stattdessen einen Anzug anzieht, begegnen ihm Juweliere mit ausgesprochener Höflichkeit. Wallraff entlarvt hier auch etwas, aber es ist nicht Rassismus.

So macht es Wallraff Kritikern leicht, die sich im Relativieren bemüßigen: Ein Bayer würde auch Probleme haben, wenn er die Kölsche Geselligkeit in einer Kneipe stört. Der Aufklärer erzeugt immer wieder Situationen, die mit jeder Hautfarbe Ablehnung provozieren: Wer bei einem Bezirksamt für eine Gartenlaube vorstellig wird und zuerst von Partys und Grillen redet, wird höchstwahrscheinlich immer schräg angeschaut. Der alltägliche Rassismus, den die Kameras einfangen, kommt hier allerdings sicher hinzu. Beim Fußballspiel von Dynamo Dresden gegen Energie Cottbus wird man wahrscheinlich auch zusammengeschlagen, wenn man ein Wort mit mehr als drei Silben ausspricht oder nicht völlig dumpf durch die Gegend gröhlt. Und nicht nur bei diesem Fußballspiel.

Auch wenn die Situation meist klar ist - bei den Hundefreunden steigt der Jahresbeitrag plötzlich von 65 Euro auf 200 Euro - ist die Naivität dieses Verfahrens oft nicht hilfreich und man fragt sich, weshalb nicht ein dunkelhäutiger Journalist ohne die Maskerade echte Erfahrungen aufnimmt. Dann wäre der Film wohl nicht so prominent, wie der von Wallraff, der multimedial an den Start geht: Der Journalist berichtet über seine Erfahrungen auch im Buch und in Zeitungsartikeln. Als Ergebnis des Films bleibt auf jeden Fall ein geschärfter Blick auf Lonsdale-Träger, Glatzen und Biedermänner.