6.10.09

Die Kinder der Seidenstraße


Australien, VR China, BRD, USA 2008 (The Children Of Huang Shi / Children Of The Silk Road) Regie: Roger Spottiswoode mit Jonathan Rhys Meyers, Radha Mitchell, Chow Yun-Fat, Michelle Yeoh 118 Min. FSK ab 12

Nach zehn Minuten gibt es die erste Massenexekution, nach zehn weiteren einen verheerenden Luftangriff auf einen chinesischen Soldatentransport. Genauso verdattert wie der Journalist George Hogg zwischen den Leichen und Trümmern des japanischen Überfalls auf China sitzt man im Kino und doch hat der Film gerade erst angefangen. Die eigentliche Herausforderung für den in Oxford ausgebildeten Journalisten beginnt in einiger Entfernung von der Front. Doch zurück nach Shanghai, wo 1937 viele Europäer in einem geschützten Bereich leben - trotz der Besetzung großer Teile des Landes durch besonders brutale japanische Soldaten. Der junge Brite George Hogg (Jonathan Rhys Meyers) will in das gerade eroberte und hermetisch abgeschlossene Nanking. Er gibt sich als Mitarbeiter des Roten Kreuzes aus, fotografiert tatsächlich die Gräuel der Japaner, wird festgenommen und kurz vor seiner Hinrichtung von Widerstandskämpfern unter der Führung von Jack Chen (großartig: Chow Yun-Fat) gerettet. Der schickt den verletzten Engländer zu einem Waisenheim abseits der Kriegshandlungen. Aber auch das ist nur ein kleiner weiterer Schritt auf einer eindrucksvollen Lebensreise.

Hogg trifft auf eine Schar verwilderter, verlauster, trotziger Jungens mit denen er nicht reden kann. Nur der besonders abweisende Anführer der Kinder spricht Englisch. Nachdem er seine eigenen Widerstände überwunden hat, hängt der Ausländer sich rein und kann zusammen mit der einsamen und unabhängigen Krankenschwester Lee (Radha Mitchell) das verfallene Waisenhaus zu einer funktionierenden Gemeinschaft wandeln. Es entwickelt sich ein schönes Märchen vom Heilen und Wachsen in Kriegszeiten. Waisenkinder, die Schreckliches erlebt haben, lernen, pflanzen und spielen.

Doch die japanischen Angriffe kommen näher und die Nationale Armee Chinas will die Waisen als Soldaten rekrutieren. Nun bricht George Hogg mit seinen Kindern zu einem gewaltigen Marsch auf. 1000 Kilometer über die alte Seidenstraße, extreme Höhen, durch Sandstürme und Wüsten mit bizarren Felsformationen. Der Film schwelgt in diesen Landschaften, die man so selten im Kino sieht. Am Ziel werden sie von Nomaden begrüßt. Das neue Heim wird eingerichtet, der Dampfgenerator wieder aufgebaut, ebenso der Basketball-Korb. Nun geschieht das mit der Freude und der Stärke eines eigenen Selbstbewusstseins, das den Kindern auf dem langen Weg erwachsen ist.

Auch wenn wie bei „John Rabe“ in dieser Verfilmung einer wahren Geschichte wieder ein Mensch aus dem Westen den eher einfältigen Asiaten den Weg weist, überzeugt Roger Spottiswoode („Under Fire“, 1983) bei seinen „Kindern der Seidenstraße“ mit spannenden und zerrissenen Figuren. George Hogg ist ein Pazifist zwischen den Fronten des Krieges, der versucht, das Morden zu verhindern und auch Gegner zu schonen. Er will bei seinem Zug keine Waffen dabei haben und überzeugt schließlich den Kämpfer und Freund Jack Chen. Die Pflegerin Lee wirkt stark, braucht aber dann doch das Morphium ihrer Patienten, um den eigenen Schmerz zu betäuben. So gelang in Figuren, Bildern und Geschichte ein eindrucksvoller und bewegender Film über jemanden, der sein Glück findet, indem er das eigene Wollen und Begehren aufgibt. Da ist es sicher nicht zufällig, dass George an seiner letzten Station von einer Buddhastatue begrüßt wird. Dass es eher ein rührendes als ein aufrüttelndes Filmmärchen bleibt, zeigt die Reaktion: Trotz der Kriegsgräuel rebelliert man nicht, auch wenn das eigene Land ganz groß im Export von Kriegswaffen ist oder selbst engagiert in der Welt Krieg führt.