13.10.09
Away We Go
USA, Großbritannien 2009 (Away We Go) Regie: Sam Mendes mit John Krasinski, Maya Rudolph, Maggie Gyllenhaal 98 Min. FSK ab 12
Beim Roadmovie kommen die Reisenden im Idealfall am Ende bei sich selber an. Die äußere Bewegung ist Katalysator oder Bebilderung der inneren Entwicklung. Burt (John Krasinski) und Verona (Maya Rudolph) lieben sich über alles, aber haben noch nicht rausgefunden, was sie anfangen wollen mit sich und dem Leben. Das Ende des Films verstrahlt Klarheit und Glück. Burt und Verona hätten vielleicht direkt ans Ziel fahren können. Aber dann hätten wir einen wunderschönen, überraschend jungen Film von Sam Mendes („American Beauty“, „Zeiten des Aufruhrs“) verpasst.
Eltern können sehr seltsam sein, vor allem in diesem Film, in dem die Menschen meist seltsam sind: Burts Eltern ziehen einfach mal eben für ein paar Jahre nach Europa. Es kümmert sie überhaupt nicht, dass Burt und Verona bald ein Kind erwarten und extra nach Colorado in die Nähe der Eltern gezogen sind. Verloren in einer zugigen Bude, wo nur die Stromausfälle im Überfluss vorhanden sind, fragt sich das junge Paar, ob es jetzt zu den Verlierern gehört. Zur Beantwortung nicht nur dieser Frage ziehen Burt und Verona los: Zu Freunden, Bekannten und Verwandten auf dem amerikanischen Kontinent. Um zu sehen, wo und vor allem wie man leben will.
In Phoenix, Arizona, besuchen sie Menschen, die schon damals in Chicago nicht ihre Freunde waren. Eine ordinäre Rabenmutter ist ebenso skurril wie der dicke Junge, der Anlagen zum Kindermörder äußert. Das esoterische Nest der alten Freundin Ellen (grandios böse: Maggie Gyllenhaal) erweist sich als beweihräucherte Diktatur der Sanftheit. Die tolle, singende, vielfarbige Patchwork-Familie in Montreal hat Hitler aus dem „Sound of Music“-Video geschnitten. Adoptierte Kinder und Jazzclub am Abend wirken ideal, die Hymne auf das Familienleben wird mit viel kanadischem Ahornsirup versinnbildlicht. Aber auch hier versteckt sich eine tiefe Trauer, auch hier hat das Leben böse zugeschlagen.
Veronas kleine Schwester und Burts mit einer Tochter sitzen gelassener Bruder sind weitere Stationen des Weges. Sicherheiten gibt es nirgendwo. Auf die ängstliche Zukunftsfrage „Was sollen wir machen?“ gibt es nur eine Antwort: „Wir machen es einfach!“
Beziehung wird hier nicht idealisiert, ist aber dadurch umso echter schön. Eigenwillig ist vor allem der brustfixierte Burt, der problemlos ein blau kariertes Hemd zu grau karierten Bermudas trägt. Dazu passen unkonventionelle Liebeserklärungen, schöne Momente und verrückte Ideen, wie der Orangenbaum vor Veronas Elternhaus, der keine Früchte trägt, bis die Mutter ihn mit Weintrauben, Birnen und Ananas behängt. Eines der Bilder, die das Herz lächeln lassen, aber die auch noch eine Menge Weisheit enthalten. Denn Burt und Verona verlieren bei ihrer Suche aus den Augen, welchen Reichtum sie in sich haben.
Sam Mendes legte nach dem grausamen Ehe-Ende „Zeiten des Aufruhrs“ mit Kate Winslet und Leonardo DiCaprio nun einen verspielten Auftakt mit unbekannten Darstellern hin. Das sollte nicht darüber hinweg täuschen, dass „Away we go“ in jeder Hinsicht vom Besten ist: Songs und Soundtrack von Alexi Murdoch begleiten die Handlung kongenial. Die Bilder der Indi-Kamerafrau Ellen Kuras begleiten den leisen Humor der Figuren. Das echte und Autoren-Paar Dave Eggers und Vendela Vida tauchen zwar erstmals bei einem großen Kinofilm auf, haben aber eine Menge vom Leben zu erzählen.