11.8.09

Tödliches Kommando - The Hurt Locker


USA 2008 (The Hurt Locker) Regie: Kathryn Bigelow mit Jeremy Renner, Anthony Mackie, Guy Pearce 131 Min. FSK ab 16

Bomben-Spannung im Irak ist ein gefährliches Thema, doch die exzellente Inszenierung der Spannungs-Spezialistin Kathryn Bigelow („Point Blank“) sorgt für einen atemberaubenden Irakthriller um ein Team von Bombenexperten. Ob man jetzt bei einem nationalistischen Kriegsfilm mitfiebert, fragt man sich erst nachher.

Coole Sprüche und Scherze am laufenden Meter Zündschnur. So überspielen die Cowboys der Bombenentschärfer im Irak ihre Angst. Der Gruppenleiter wird noch vor dem Vorspann in die Luft gejagt. Sergeant William James (Jeremy Renner), der Neue, macht mit seiner Coolness sogar nervöser als ein Bombenfund, der lässige Kerl ist selber eine risikofreudige Zeitbombe. Mit der Kippe im Mund geht es zum Einsatz, dann wirft James eine Nebelgranate, so dass ihn die eigenen Leute nicht mehr sehen und decken können. Gerne legt er auch die schwere Schutzkleidung ab, denn er möchte bequem sterben. James hält sich nicht an Anweisungen, bricht immer wieder den Funkkontakt ab, bis ihn sein eigener Kamerad Sergeant JT Sanborn (Anthony Mackie) eigenhändig und nicht nur im übertragenen Sinne, in die Luft jagen will.

Es ist ein Trio, das immer zuerst ran muss, wenn irgendwo in Bagdad ein paar Kabel in einen Müllhaufen führen oder ein völlig überladenes Auto vor einem UN-Gebäude parkt. Sergeant William James, der alte Hase Sandorn und ein junger, traumatisierter Soldat, dessen Schutzpanzer nicht funktioniert, dessen Gesicht immer wieder Entsetzen und Angst spiegelt. Alle anderen Figuren sind unwichtig, so auch der Star Ralph Fiennes als Kopfgeldjäger, der die Soldaten mitten in der Wüste in ein Scharfschützenduell mit endloser Warterei verwickelt. Von den Irakern ganz zu schweigen, die wirklich nur Randfiguren sind.

Spannung spielt die Hauptrolle in zahllosen Szenen von Kathryn Bigelow, etwa wenn der wahnsinnige James wieder eine riesige Bombe von Hand entschärft, aber die Kabel gleich zu sechs weiteren um ihn herum führen. Der Mann mit dem Zünder lauert in der Nähe und Scharfschützen sind auch nie weit. Das Drehbuch basiert auf den Erfahrungen des Autors Mark Boal, der als "embedded journalist" Entschärfungskommandos in Bagdad begleitete. So tappt „The Hurt Locker“ in die alte Kriegsfilm-Falle: Man ist „eingebettet“, so mit den „Helden“ verbunden, dass man nur schwer die Unsinnigkeit ihres Handeln abstrahieren kann. Es sind doch „gute Jungs“, um die man bangt. Dass man Angst vor diesen Soldaten haben sollte, die in der Realität auch morden, foltern und vergewaltigen, bleibt außen vor. Ebenso das wesentlich größere Leid der Iraker.

Nach Irak-Filmen wie Brian de Palmas „Redacted“ oder dem ultimativen Kriegs-Wahnsinn von „Catch 22“ ist „The Hurt Locker“ politisch ein Rückfall. Zwar nicht so grob militaristisch wie Scotts „Black Hawk Down“, wir hören auch Sprüche von Gegnern der Einsätze im Irak und in Afghanistan: „Wenn es kein Widerstandskämpfer war, ist er jetzt (nach dem brutalen Auftreten der amerikanischen „Helfer“) einer!“ Ganz selbstverständlich wird ein verletzter Angreifer exekutiert.

Aber Bigelow packt nicht nur mit extrem spannenden Szenen, sie entschärft auch dieses Dilemma jedes Kriegsfilms etwas. Am Ende bleibt ein Bild für die Vergeblichkeit der ganzen Irak-Situation: James kann den irakischen Familienvater nicht retten, der hilfesuchend mit einem Bombengürtel an einem Kontrollposten auftaucht. Danach wäscht der Soldat nicht nur seine Hände, sondern gleich die ganze Uniform vom Blut rein. Es bleibt dieses Bild und die Zerstörung der Psyche eines weiteren Soldaten, denn James ist verloren für die Welt mit hunderten Corn Flakes-Sorten zuhause. Er muss wieder in die Spannung der Todesnähe.