Chinesischer Abend in Locarno
Locarno. Fast eine rein chinesische Angelegenheit wurde der Abschluss des 62. Internationalen Filmfestivals (5.- 15.8.2009) von Locarno: „She, a Chinese“ (Sie, eine Chinesin), der chinesischen Regisseurin Xiaolu Guo erhielt den Hauptpreis. Passend präsentierte der deutsch produzierte Abschlussfilm „Die zwei Pferde des Dschingis Kahn“ die mongolische Sängerin Urna, die im musikalischen Road-Movie auch die brutale Vernichtung von Traditionen in der chinesischen Inneren Mongolei beklagt. Der Film und vor allem ein Mini-Konzert der eindrucksvollen Sängerin sorgten für einen versöhnlichen Ausklang des nicht überzeugenden Piazza Grande-Jahrgangs.
Die Jury des Internationalen Wettbewerbs, der in Locarno immer sehr wechselhaft verläuft, verlieh den Goldenen Leoparden für den besten Film an „She, a Chinese“ der Chinesin Xiaolu Guo. Die Koproduktion von Großbritannien, Deutschland und Frankreich beschreibt, wie eine junge Chinesin die Welt und sich selbst bei ihrer Reise von Ost nach West entdeckt. Die Episoden und Begegnungen mit verschiedenen Männern führen die Protagonistin von einem kleinen chinesischen Dorf schließlich nach London. Eine persönliche und politische Parabel, die sehr dem eigenen Weg der Regisseurin von ihrem Dorf nach Beijing und in den Westen ähnelt. „She, a Chinese“ startete als Weltpremiere und als einer der allerletzten Filme des Wettbewerbes, um schon am nächsten Tag als Festivalsieger auf der gut gefüllten Piazza gefeiert zu werden. Bereits in drei Wochen wird der nächste Film der emsigen Schriftstellerin und Regisseurin Xiaolu Guo „Once upon a time proletarian“ in Venedig zu sehen sein. Die Preisvergabe passt perfekt zur diesjährigen Region der Open Doors, des Koproduktions-Treffens von Locarno. Hier waren Regisseure aus den chinesischen Regionen und unter ihnen auch Xiaolu Guo zu Gast.
Den Spezialpreis der Jury sowie den Preis für die beste Regie erhielt „Buben.Baraban“ des Russen Alexei Mizgirev, der mit den Erlebnissen der 45-jährigen Yekaterina ein dramatisches Porträt vom Russland am Ende der 90er Jahre mit seinem emotionalen und materiellen Elend zeichnet.
Abgesehen vom Urteil der Jury, an der auch die deutsche Schauspielerin Nina Hoss beteiligt war, galten zwei andere Filme als hohe Favoriten und wurden auch mit den meisten Preisen aller Jurys bedacht. Von der Hauptjury gab es für diese herausragenden Beiträge der 62. Locarno-Ausgabe die Leoparden für die beste Darstellerin an die Niederländerin Lotte Verbeek im Film „Nothing Personal“ ihrer Landsmännin Urszula Antoniak. Die verschlossene Hauptfigur lässt ihr Leben in den Niederlanden hinter sich, um mit Zelt und Rucksack durch Irland zu ziehen. Die Begegnung mit einem einsiedlerischen Iren (Stephen Rea) führt kurzzeitig zu einer Erweichung der Unnahbarkeit. Antoniaks Erstling „Nothing Personal“ schwelgt in eindringlichen Farben und Bildern, sowie in einer prätentiösen Unnahbarkeit, deren Ursache verborgen bleibt.
Der Leopard für den besten Darsteller ging an Antonis Kafetzopoulos für den Film „Akadimia Platonos“ des Deutsch-Griechen Filippos Tsitos („My sweet home“). Darin verbringen drei Kioskbesitzer an einer kleinen Kreuzung den Tag damit, Albaner zu verachten und die Zunahme der Chinesen festzustellen. Bis die Hauptfigur Stavros erfährt, dass er einen albanischen Bruder hat. Eine schöne Überraschung in dem komischen und weisen Film. Davon hätte es mehr im Wettbewerb und in Locarno überhaupt geben können.