16.12.08

Novemberkind


BRD 2008 (Novemberkind) Regie: Christian Schwochow mit Anna Maria Mühe, Ulrich Matthes, Christine Schorn 98 Min. FSK: ab 12

Man kann über die Fernsehbeteiligung an Kinofilmen schimpfen und diskutieren. Man kann wie Volker Schlöndorff bezweifeln, dass TV-Mehrteiler in der Kinokurzfassung wirklich sorgfältig gemacht werden. Aber auf dem Gebiet der Nachwuchsförderung haben sich die Sender tatsächlich verdient gemacht. „Novemberkind“ ist wieder ein Beispiel für exzellentes Kino, das diesmal vom SWR als Abschlussfilm der Filmakademie Baden-Württemberg finanziert wurde.

Die lebenslustige Inga (Anna Maria Mühe) ist Antiquarin in Malchow, Mecklenburg-Vorpommern. Spielt Karten mit den Großeltern, die sie aufzogen, und vermisst ihre Freundin, die in den Westen zog. Eines Tages steht der etwas wirre Literaturprofessor Robert (Ulrich Matthes) vor ihr, stellt Fragen und streut kleine Hinweise aus. Er meint Ingas Mutter Anne (Anna Maria Mühe) gekannt zu haben, doch die soll schon vor vielen Jahren ertrunken sein. Roberts Geschichte erweist sich als wahr, alle Menschen um Inga haben ihr verschwiegen, dass ihre Mutter mit einem desertierten Sowjet-Soldaten aus der DDR floh und ihre Tochter zurückließ. Ingas Leben bricht zusammen. Um ihre Fragen zu klären, verlässt sie Malchow mit Robert und ihrer alten MZ, um per Motorrad plus Beiwagen nach ihrer Mutter zu suchen.

Christian Schwochow gelang mit dieser leisen Ost-West-Geschichte ein tolles Debüt. Die Verstrickungen und unmenschlichen Zwänge im DDR-Regime, die moralischen Abgründe der West-Kapitalisten führen zu einem Drama, das ganz undramatisch entdeckt wird. Schwochow erlaubt sich mit der exzellenten Kamera von Frank Lamm sehr entspannte, stimmungsvolle Aufnahmen der Gegend und intensive Zeichnungen der Menschen. Die Musik (Daniel Sus) ist ebenso zurückhaltend wie die Erzählung. Grandios in der Mutter-Tochter-Doppelrolle brilliert Anna Maria Mühe, die Tochter des schwierigen Ost-Künstlerpaares Ulrich Mühe and Jenny Gröllmann. Anna Maria Mühe sorgt für die emotionale Verankerung der Zuschauer in der Geschichte, etwa in den bewegenden Momenten der Leugnung, wenn nahe Menschen sie erkennen und doch so tun, als sähen sie nicht. Ulrich Matthes („Der neunte Tag“) spielt einen zwiespältigen Part, als Autor oder als Beobachter, als Erfinder oder Antreiber der Story. „Novemberkind“ - ein exzellenter Film, jetzt im Kino und irgendwann sicherlich nach Mitternacht im Fernsehen.