22.12.08
Australia
Australien, USA 2008 (Australia) Regie: Baz Luhrmann mit Nicole Kidman, Hugh Jackman, David Wenham 166 Min.
Ganz knapp und ganz schön spannend reitet kurz vor Toresschluss der großartigste Film des Jahres ins Ziel: „Australia“ ist ein postmodernes „Vom Winde verweht“ - Epische Breitwandkino, ganz großer Film aber auch große Oper. Nach seinem wilden "William Shakespeare's Romeo and Juliet" und dem überbordenden Musical "Moulin Rouge" bespielt Baz Luhrmann nun ganz Australien als Bühne. Seine Stars sind - neben der unfassbaren, einzigartigen Landschaft - Nicole Kidman, Hugh Jackman und als Entdeckung der zwölfjährige Brandon Walters.
Schon die Ankunft von Lady Sarah Ashley (Nicole Kidman) ist ein großer Auftritt auf der Bühne, zu der Luhrmann den Hafen von Darwin macht. Sarah flog kurz vor Ausbruch des 2. Weltkrieges resolut von England rüber, um ihren untreuen Mann heimzuholen. Der liegt allerdings schon tot auf der heruntergekommenen Farm Faraway Downs, der betrügerische Verwalter (David Wenham) wird mit einem gezielten Peitschenhieb gefeuert und nun muss die Lady sehen, wie sie die riesige Viehherde zum Hafen bekommt. Doch zum Glück und zum Augenschmaus für die Ladies ist da der knackige Viehtreiber Drover (Hugh Jackman): Rau und ungehobelt bietet er der eingebildeten Dame viel Reibungsfläche auf dem klassischen Viehtreck quer durch Australien.
Am Ziel könnte schon nach gut neunzig Minuten Happy End sein. „Australia“ ist im ersten Teil ein großes Abenteuer und im zweiten das größere, eine Familie zu finden. Denn der wahre Star des Films ist das „Halbblut“ Nullah, kein Held, kein großer Magier, ein kleiner Junge, der nicht weiß, was er kann. Vor den Behörden, die bis in die Siebziger Mischlingskinder den Eltern raubten und grausam kasernierten, versteckt sich das Kind auf Faraway Downs. Nullah ist zudem der Erzähler der großartigen Geschichte „Australia“, was dem Land und seinen eigentlichen Bewohnern die gegebene Ehre erweist.
Für 130 Mio. Dollar und mit extremen neun Monaten Drehzeit erfüllte sich Baz Luhrmann seinen Wunsch, ein australisches „Vom Winde verweht“ zu drehen. Als altmodisches Epos angelegt, ist sein großes Drama voller Romantik, Abenteuer, Komik und auch Mystik selbstverständlich schneller als der alte Klassiker. Reichlich Top Shots, die (künstlichen) Farben des Himmels, das ist auch Kitsch, aber großartiger. Während er sich mit dem Windrad von „Moulin Rouge“ selbst kommentiert, wird das Leitmotiv aus dem Musical „Der Zauberer von Oz“, der Song „Somewhere over the Rainbow“, mit der Regenbogenschlange plötzlich zu einem Stück Aborigine-Mythologie. Aber der Regisseur einer tollen „Boheme“ muss ja begeistert sein von einer Kultur, die mit einem Lied durch Wüste findet.
Dem offenen Rassismus aus „Vom Winde verweht“ werden hier schon in den ersten zehn Minuten zwei große Einsätze für das Gemeinsame entgegen gesetzt. Lange bevor ein Multikulti-Treck quer durchs Land zieht und endgültig klar wird, dass dies grandiose Abenteuer immer ein Plädoyer für das Zusammenleben ist.
Nicole Kidman ist nach „Moulin Rouge“ und einem gerade wieder reaktivierten Chanel-Werbespot Luhrmans Star. Ihre Lady ist Zicke, mutige Heldin mit großem Herzen, die den Regen und im Regen liebt, ist kleines Mädchen und die schönste Frau in dieser Welt. Hugh Jackman gibt perfekt den richtigen, bärtigen Held, dem auch mal ein paar Tränchen über die sonnengegerbten Wangen rollen. Seine erste Liebeserklärung bei Lagerfeuer-Romantik unterm Flaschenbaum (!) lautet, er wolle mit niemand anderem mehr trinken. Nach einem kräftigen Schluck können sie dann auch ihre Leidenschaften nicht mehr zurückhalten.
Und damit sind sie wieder beieinander, die großen Vier von „Moulin Rouge“: Truth, Beauty, Freedom, and above all things, Love. Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Die Schönheit der Landschaften. Die Freiheit des Einzelnen, denn „Australia“ ist auch ein Film über das Gehenlassen. Und: Die Liebe, die hier alle Grenzen überschreitet. Denn „wenn du keine Liebe im Herzen hast, hast du nichts, keine Träume und keine Geschichte.“ Und dies ist eine gute Geschichte, eine der besten!