29.12.08
Bonjour Sagan
Frankreich 2008 (Sagan) Regie: Diane Kurys mit Sylvie Testud, Pierre Palmade, Jeanne Balibar, Lionel Abelanski, Guillaume Gallienne, Denis Podalydès 120 Min. FSK: ab 12
War Kafka wirklich so kränklich und vom Unglück verfolgt? Oder folgt das Bild des Dichters nur dem Klischee vom leidenden Künstler? Filmische Künstler-Biographien folgen nur zu gern diesem Muster vom „La vie en rose“ der Edith Piaf bis zu Salma Hayeks „Frida“ (Kahlo) - letztere wohl eher dem schmerzensreichen Original entsprechend. Es geht bei dieser Kritik nicht um die Erbsenzählerei, was denn „wahr“ und verbrieft sei. Auffällig ist allein, dass der Fokus auf die Schwere des Lebens all diese verfilmten Leben so austauschbar macht.
Wie schon beim „Vie en rose“ der Edith Piaf blickt (Françoise) „Sagan“ vom einsamen Alter zurück auf ein wildes, eigenwilliges Leben: Françoise Quoirez (1935-2004) veröffentlicht 1954 knapp 18-jährig unter dem Pseudonym Sagan wie selbstverständlich ihren ersten Roman „Bonjour Tristesse“, der sofort weltweit zu einem Erfolg wird. Auch dies tangiert die resolute junge Frau (eindrucksvoll verkörpert von Sylvie Testud) nicht weiter. Literaturpreise nimmt sie ebenso beiläufig entgegen wie die Zuneigung mehrerer Männer. Françoise Sagan, die aus einer wohlhabenden Pariser Familie stammt, lebt eigenwillig, unabhängig und vom Glück verwöhnt. Mit einem neuen Sportwagen und zwei frischen Freunden düst sie an die Küste, gewinnt Unsummen im Casino und kauft noch am gleichen Morgen mit dem Geld ein Landhaus, das von nun an ihr Heim sein soll. Dort versammelt sie sehnsüchtig Freunde, Kriecher, Bewunderer, Kritiker ohne Einfühlungsvermögen. Geradezu abhängig hüllt sie sich in die Harmonie dieses Kreises. Kritik an ihrer Arbeit führt - im Film - direkt zum tragischen Autounfall der damals 21-Jährigen, der ihre Gesundheit fortan belasten wird. Der Rest ihres Lebens ist bestimmt von der Sucht nach Menschen, die ihr Liebe und Aufmerksamkeit schenken, von Morphium und Koks als Droge gegen Schmerzen und Einsamkeit.
Dabei bleibt Sagan frech und forsch, eigenwillig und konsequent. Immer suchend baut sie mit Freundeskreisen eine Welt um sich herum, die in sich eine Revolution gegen die bürgerlichen Regeln und Rahmen darstellt: Im Kinderzimmer steht ein richtiges Pferd, der schwule Vater von Sagans Sohn küsst seinen Liebhaber und keinen kümmert es. Und dann ist da noch die Ruhelosigkeit: Als ihr mittlerweile erwachsener und fast vergessener Sohn nach langer Zeit mal wieder vorbeikommt, haut sie ab nach New York ohne ihn zu sehen. Mit der Concorde, es kann nicht schnell genug gehen: „Manchmal spürt man das Verlangen zu fliehen, einfach auszureißen, sich irgendwo zu verlieren. Aber manchmal geht man auch verloren, ohne es zu wollen, zufällig, durch einen Exzess.“
Regisseurin Diane Kurys („Das Liebesdrama von Venedig“) reiht aus der Biografie der Schriftstellerin Françoise Sagan verstreute Episoden aneinander, die dem lückenhaften Erinnern der heruntergekommenen Autorin entsprechen könnten. Die Episoden der Einsamkeit, mit Zeitenblendungen durch Fernsehberichte vom Algerienkonflikt oder den 68-er Unruhen in Paris halbwegs verortet, ergeben einen pessimistischen Blick aufs Leben. Sagan bleibt zeitlebens hilfesuchend und letztendlich verloren. Mit Koks und Wodka ruiniert sie auch ihre Kreativität. Ihr Wunsch nach Freiheit bleibt gefangen in der Drogen- und Liebessucht. Die ergibt dann das Beste des Films, die klugen, kompromisslosen Äußerungen im Off, die den Film im Trailer so spannend machen. Beispiel: „Warum können die Leute nicht loslassen, wenn die Liebe weg ist?“
Ihre Romane „Lieben Sie Brahms?“ (1959) oder „Brennender Sommer“ (1985) wurde immer wieder verfilmt, am bekanntesten ist „Bonjour Tristesse“, der Film von Otto Preminger. Jean Seberg spielt darin die Hauptrolle der jungen Frau, die auf extreme Weise das Verhältnis des geliebten Vaters Raymond (David Niven) zu seiner neuen Geliebten Anne (Deborah Kerr) sabotiert. Wobei die junge Seberg ebenso eindrucksvoll auf der Leinwand wirkte, wie nun die Sagan-Darstellerin Sylvie Testud, die man seit „Jenseits der Stille“ zwischen Frankreich und Deutschland in vielen Filmen wie „Karnaval“, „Maries Lied“ oder „La vie en rose“ sah.