Das Ende von Cannes vor 40 Jahren und die Geburt der „Quinzaine“
Cannes. 40 Jahre nach „68“ gedenkt Cannes seines turbulentesten Festivals im Mai 1968. Und feiert das Jubiläum eines Neuanfangs mit der jungen, unabhängigen Nebensektion „Quinzaine des réalisateurs“.
Am 10. Mai 1968 startete das 21. Festival von Cannes mit dem grandiosen „Vom Winde verweht“. Zu diesem Zeitpunkt ahnte noch niemand, dass in diesem Jahr das Festival selbst von einem Sturm der Veränderung weggefegt werden sollte. Am 13. Mai wurde im ganzen Land der Generalstreik ausgerufen, in Cannes streikten die Vorführer - vorläufig, wie man dachte. Doch dann gab es die historische Pressekonferenz am 18. Mai, die Beginn einer neuen Filmströmung, der Nouvelle Vague, werden sollte. Der junge François Truffaut, dessen Akkreditierung als zu kritischer Journalist abgelehnt wurde, kam aus Paris. Dort protestierten Filmemacher gegen die Absetzung von Henri Langlois, dem Direktor der Cinemathek, und gegen den Gaullismus. Jean-Luc Godard und Louis Malle sind bei der Versammlung mit dabei, fordern die Absetzung der Jury. Roman Polanski stimmt nach einigem Zögern zu. Regisseure wie Milos Forman, Alain Resnais und Carlos Saura ziehen ihre Filme aus dem Wettbewerb zurück. Als Sauras „Peppermint Frappé“ doch anläuft, gibt es Schlägereien im Saal. Am nächsten Tag erklärt die Festivalleitung die Absage. Die Gäste wollen abreisen, doch der Generalstreik hat alle Züge und Flugzeuge gestoppt.
Ein Jahr später wird Truffaut mit „Sie küssten und sie schlugen ihn“ eine triumphale Rückkehr erleben und die Goldene Palme gewinnen. Die „Sociéte des Réalisateurs de Films“, ein Verband der Filmemacher, startet die Sektion „Quinzaine des réalisateurs“, in der seither Martin Scorsese, Spike Lee, Jim Jarmusch oder die Dardenne-Brüder entdeckt wurden. Die „Quinzaine“ ist die Cannes-Reihe, in der das Publikum gleichrangig neben den Fachbesuchern Zutritt hat und viele meinen, hier laufen die besten Filme des Festivals. Das Festivalzentrum der „Quinzaine“ befindet sich etwas abseits vom neuen, Bunker genannten Palast in einem Hotelneubau exakt auf den Ruinen des alten Festivalpalastes. Zur 40. Ausgabe zeigt die Dokumentation „40 x 15“ historische Interviews mit Regisseuren aus der alternativen Ecke Cannes. Und auch die 1968 nicht mehr gezeigten Filme kommen zu ihren Ehren: In der Reihe „Cannes Classics“ laufen die Filme von Resnais, Forman, Saura, Delouche und andere - leicht verspätet.