12.5.08

Brügge sehen... und sterben?


Großbritannien 2008 (In Bruges) Regie: Martin McDonagh mit Colin Farrell, Brendan Gleeson, Ralph Fiennes 107 Min. FSK: ab 16

Es gehört zu den treffendsten Grundideen für einen Film, knallharte Gangster auf dem falschen Fuß zu erwischen oder sie an den falschen Ort zu verpflanzen. Beispielsweise Robert DeNiro als Mafiaboss zum Psychiater zu schicken. Oder die gnadenlosen Schurken in „Fargo“ und Co. als unfassbare Idioten bloßzustellen. Der Theaterautor Martin McDonagh schickt in seiner ersten Regie zwei irische Killer in den zeitweiligen Ruhestand - nach Brügge. Klingt skurril, ist es über weite Strecken auch, doch die Qualitäten der Figurenzeichnung und ein raffiniertes Drehbuch machen den auch tiefgründigen Mords-Spaß rund.

Gangster-Boss Harry (Ralph Fiennes) hat Probleme mit seinen Killern und schickt zu zum Untertauchen nach Brügge. Was erstmal nicht wortwörtlich gemeint ist, auch wenn das flandrische Städte-Kleinod ähnlich viele Kanäle hat wie Venedig. Ken (Brendan Gleeson) und Ray (Colin Farrell) sollen von der Bildfläche verschwinden, weil Letzterer einmal zu oft getroffen hat. „Schaut euch mal diese tolle Stadt an“, lautet der Marschbefehl des kultivierten Harry, welcher beweisen wird, dass Kulturliebe nicht automatisch moralische Festigkeit mit sich bringt.

Während der ruhige Ken begeistert die Touristen-Tour mitmacht, ist der kleine Ort Tortour für den unruhigen, unbeherrschten Ray. Der macht sich vor allem über amerikanische Touristen und kleinwüchsige Schauspieler lustig, wobei seine Empfehlung an Erste, nicht den Aussichtsturm zu erklettern, durchaus mehr als ein platter Scherz ist, wie sich in der gut gestrickten Story später zeigen wird.

Die nächsten Anweisungen aus England sagen Ken, er solle Ray umbringen. Ein einfacher Auftrag, der nach ein paar Tagen im melancholisch machenden Mittelalter-Museum Brügge schon gar nicht mehr so klar befolgt werden kann. Zum einen treibt sich Ray mit einem Filmteam rum, fällt fast auf eine Trickbetrügerin rein und prügelt sich mit irischer Dickköpfigkeit mindestens einmal am Tag. Doch während er einem kleinwüchsigen Schauspieler latente Suizidneigung andichtet, wird er selbst immer nachdenklicher. Eine ganz neue Erfahrung für Ray...

Und Ken ist von den Eindrücken der Stadt so angetan, dass er den Schießbefehl nicht befolgt. Was einen sehr wütenden Harry nach Brügge kommen lässt.

Allein die Idee, das große Finale in der Verfilmung einer apokalyptischen Hieronymus Bosch-Szenerie anzusiedeln, macht diese lustige Gangstervariante von Schuld und Sühne sehenswert. Es wird ein raffiniertes Finale und dabei hätten sie viele Filme schon mit den lakonischen Gangster-Gehabe der beiden tödlichen Helden zufrieden gegeben. Welche sanften Kerle hinter diesen harten Schalen stecken, spielen Colin Farrell („Alexander“, „Phone Booth“) und Brendan Gleeson („Harry Potter“, „The General“) vortrefflich heraus. Auch wenn ihre Killer eine ganz eigene Moral haben, ist sie eher bedenkenswert als einfach nur bedenklich.