13.5.08

Cannes 2008 Vorbericht


Cannes. Ein Filmfestival mit einem Film über Blindheit zu eröffnen, ist eine mutige Steilvorlage für die Kommentare. Aber „das“ Filmfestival überhaupt, das Festival de Cannes, erlaubt sich seit Jahren viel Mut. Heute Abend startet das 61. Filmfestival von Cannes (14. – 26. Mai) seinen Bilderreigen mit „Blindness“ des Brasilianers Fernando Meirelles.

Kostüme und Schmuck der zahllosen Promis, die in einer langen Zeremonie die Roten Stufen zum Festivalpalast empor stolzieren werden, lassen sich sicher mit „blendend“ bezeichnen. Doch das Programm ist wie die Roten und Blauen Teppiche vor den vielen Festivalkinos noch in Zellophan eingehüllt. Viele der Filme der Besten Regisseure unserer Zeit vom Westerner Eastwood bis zum Asiaten Wong Kar-Wai sind Weltpremieren und werden mit besonders viel Spannung erwartet. Von Meirelles, der 2002 mit der Sensation „City of God“ einschlug, kennt man die Geschichte einer Stadt, in der Blindheit wie eine Epidemie ausbricht. Unter den horrenden Zuständen begleitet eine Frau, die verheimlicht, dass sie noch sehen kann, ihren Mann in die Quarantäne und beobachtet den Verfall der Menschlichkeit. Auch dies ein Überblicks-Motto für viele Filme in Cannes.

In den weiteren 18 Filmen im Wettbewerb um die Goldene Palme warten Angelina Jolie und John Malkovich in Eastwoods Film „Changeling“ auf. Steven Soderbergh verfilmte das Leben des Revolutionärs Ernesto "Che" Guevara unter dem Titel "Guerilla". Charlie Kaufman („Being John Malkovich“) liefert sein Regiedebüt «Synecdoche, New York» ab, der kanadische Regisseur Atom Egoyan („Das süße Jenseits“) hofft mit „Adoration“ auf Bewunderung.


MM - die Sektionen mit dem gewissen Etwas
Realistisch betrachtet ist Cannes jedoch nicht nur ein Wettbewerb und ein Roter Teppich, Cannes besteht aus täglich hunderten Events, Vorstellungen und Aufregungen parallel, unter und über einander. Da erzählt Quentin Tarantino in einer „Masterclass“ vom Filmemachen. Steven Spielberg schickt außer Konkurrenz noch einmal Harrison Ford als „Indiana Jones“ auf antiquierte Schatzsuche. Derweil kann das Fachpublikum filmische Schätze in zahlreichen Reihen und Nebensektionen entdecken. Die Spannweite reicht von Madonna, die aus Anlass einer Anti-AIDS-Gala in Cannes sein wird, bis zu Maradona, der von Emir Kusturica porträtiert wurde.


Local Heros von Rhein und Maas
Siegreich mit Hanekes „Cache“ und Ken Loachs „The Wind that shakes the Barley“ ist die Filmstiftung NRW mit „Palermo Shooting“ nun wieder im Wettbewerb von Cannes. Gedreht wurde der neue Film von Wim Wenders unter anderem in Düsseldorf. Die internationale Koproduktion erhielt 400.000 Euro Filmförderung. Campino, der Frontmann der „Toten Hosen“ spielt einen jungen Fotografen, der in einer Lebenskrise steckt und sich auf eine Reise von Düsseldorf bis Süditalien begibt. Fatih Akin wird ebenfalls langsam ein alter Be-Cannter nicht nur in Altona sondern auch an der Cote d’ Azur: In den letzten Jahren war er entweder in einer Jury oder im Wettbewerb vertreten. Diesmal sitzt er als Präsident der Jury von „Un Certain Regard“ vor, nachdem er im vergangenen Jahr mit „Auf der anderen Seite“ den Preis für das Beste Drehbuch erhielt.

Auch aus der Region stammt das neueste Werk der Lütticher Brüder Dardenne. Die zweimaligen Cannes-Sieger („Rosetta“, „L’Enfant“) Jean-Pierre und Luc Dardenne zeigen „Le Silence de Lorna“, die Geschichte der jungen Albanerin Lorna, die in Belgien einen teuflischen Heiratsschwindel eingeht, um mit ihrem Freund eine Snackbar zu eröffnen. Die Mafia erwartet ihr Schweigen, der Film wird dagegen für viel Gesprächsstoff sorgen, denn beim Festival der großartigsten Visionäre dieser Welt haben schon künstlerisch Einäugige nichts zu suchen.