2.1.08
Darjeeling Limited
USA 2007 (The Darjeeling Limited) Regie: Wes Anderson, mit Owen Wilson, Jason Schwartzman, Adrien Brody, 105 Min. FSK: ab 6
Wenn "dysfunktional" besonders gut funktioniert, dann kann Regisseur Wes Anderson nicht weit sein. Aus schiefen Gefühlslagen in ziemlich zerrütteten Familien wird etwas herrlich Schräges. Wie schon in seinem ersten Film "Durchgeknallt - Bottle Rocket" (1996) geht es in "Darjeeling Limited" um drei entfremdete Brüder, auch in "Die Royal Tenenbaums" (2001) kamen die Teile eines seltsam eng verbundenen Clans nur in absurdesten Situationen zusammen. Damals verschied am Ende der längst verabschiedete Patriarch Gene Hackman. Nun begeben sich drei Brüder ein Jahr nach dem Tod des Vaters auf einen spirituellen Indien-Trip. Wobei alles übliche Spirituelle nur als nette Lachnummer dient, die wahre Erlösung liegt in der Anderson-Religion aus Lachen, Leben und Lernen.
Schon die erste Sequenz, in der Bill Murray versucht, einen Zug zu erreichen, es aber nur Adrien Brody gelingt, ist großes Kino. Rasant geht es durch indisches Farben-Gewirr, elegant lässt die Zeitlupe Brodys Sprint genießen. Auf dem "Darjeeling Express", der lang genug durch Indien fahren wird, um dem Leben eine andere Richtung zu geben, warten auf Peter (Brody) seine Brüder Jack (Jason Schwartzman) und Francis (Owen Wilson). Letzterer lud nach einem schweren Autounfall die entfernten Verwandten zum Selbstfindungstrip.
Die seelische Last, die sie mit sich herumtragen, packt der Film in das zahl- und umfangreiche Louis-Vuitton-Reisegepäck des Vaters, das mühsam mitgeschleppt wird. Überhaupt macht der stylische aber doch etwas unpassende Nachlass des Patriarchen, den Peter an sich trägt, einen Teil des optischen Humors aus - vor allem die Riesenbrille springt ins Auge.
Zuerst läuft alles schief, jeder verrät jeden, Jack vögelt die indische Schaffnerin und als sich der Zug verfährt, lautet die Erkenntnis: Wir haben uns noch nicht gefunden! Dann stürzen ein paar indische Jungs in einen reißenden Fluss und die großen amerikanischen Jungs funktionieren auf einmal als Team bei der Rettung der Kinder. Der versuchten Rettung, denn ein Junge stirbt, Peter trägt ihn in seinem Armen zum nahe liegenden Dorf. Nicht nur wegen des unfassbaren Schmerzes funktioniert Sprache nicht mehr, doch statt Ablehnung erfahren die Fremden eine Aufnahme in unbekannte (Trauer-) Rituale. Dieses andere Begräbnis gibt den Brüdern die Ruhe zur Trauer, die beim Abschied vom Vater fehlte.
"Die Tiefseetaucher" blieben zu sehr an Äußerlichkeiten und der skurrilen Tiefseeforscher-Figur von Bill Murray hängen, um wirklich in die Tiefe zu gelangen. Doch bei "Darjeeling Limited" stimmt das Gleichgewicht, unmerklich führt die ungemein spaßige und reizvolle Reise zur emotionalen Katharsis. Ganz ohne interpretatorische Reiseleitung, wie sie diese Kritik versucht, bringt der emotionale Weichensteller Anderson die Aufmerksamkeit zur Seele des Films, die Verständnis und Verständigung ersehnt. Zu Wilson und Jason Schwartzman, den Schauspiel-Typen aus der Anderson-Familie, gesellen sich Adrien Brody, eine bunte Bilderflut, grandiose Songs und Chansons. Absurd komisch und gleichzeitig ungemein einfühlsam - das bekommt wohl nur Wes Anderson hin. Man sollte seine Filme wes-funktional nennen.