23.1.08
My Blueberry Nights
China/USA 2007 (My Blueberry Nights) Regie: Wong Kar Wai mit Jude Law, Norah Jones, Rachel Weisz 95 Min. FSK: ab 6
In the Mood für Blaubeer-Küsse
Der Moment kurz vor der Liebe, ausgedehnt über ein ganzes Leben, oder zumindest einen schönen langen Film, mit möglichst vielen kulinarischen Szenen ... das ist Wong Kar-Wai, das ist „In the mood for love". Nur diesmal sind es nicht dampfende Nudelküchen, in denen sich erst Blicke, dann Sehnsüchte und Säume wunderbarer Stoffe streifen. Der in Kunstkino-Kreisen hoch verehrte Regisseur aus Hong Kong drehte erstmals in Englisch. So wird Elizabeth (Norah Jones) New York nach langer Beziehung verlassen, vom Imbiss ihrer verlorenen Liebe gen Westen aufbrechen - von einer Kneipe zum nächsten Restaurant. Weil sie nicht schlafen kann, macht sie gleich zwei Jobs, bis jemand sowohl in ihrem Tag- als auch im Nacht-Leben auftaucht.
Vom kalifornischen Venice Beach gehen die Erinnerungen zurück nach Coney Island, an die Ostküste. Fast ein Jahr ist es nun her, dass Elisabeth (Norah Jones) sich verzweifelt im Cafe Kluych nach ihrem Freund erkundigte. Der englische Chef Jeremy (Jude Law) erinnert sich gut an Leute, nur nie an ihre Namen, immer nur an ihr Essen. Wie die verlorene Frau, die nicht allein sein will, bald Abend für Abend zum Reden kommt und ihren Blueberry Pie, ihren Blaubeer-Kuchen mit Vanille-Eis essen wird, bleibt ihm unvergesslich ...
Das Ritual erlaubt ihnen eine ganz langsame Annäherung, lässt Trauer verfließen und die Bilder der Überwachungskamera statt alter Geschichten erzählen. Warme, gelb-grüne Töne passen zur rauchigen Stimme Elizabeths. Bald fällt sie an seiner Seite in Schlaf. Ein Rest Eis verführt zum wunderbaren, dem Schlaf und schönen Lippen geraubten Kuss. Dazwischen geschnittenes Zusammenschmelzen von Beeren, Sahne und Eis macht die reine Berührung hoch erotisch.
Im Rahmen dieser besonderen Begegnung zwischen Elizabeth und Jeremy erzählt „My Blueberry Nights" von anderen Leidenschaften auf dem Weg der Reisenden. Auch wenn der Film vor allem in dem New Yorker Cafe die großen und kleinen Gefühle in ganz große traumhafte Kinomomente umwandelt, zeigen auch die anderen gefühlvollen Geschichten schönes Kino, mit heftigen Leidenschaften, saufenden und heulenden Männern, denen verzweifelte Liebe das Genick bricht.
Ein ganzes Buch voller Geschichten erzählt eine Vase mit Schlüsseln, die Jeremy von unglücklich Verliebten zum Aufbewahren hinterlassen wurden. Er glaubt daran, dass Türen nicht für immer geschlossen bleiben. Und seine Mutter lehrte ihm, wenn er mal verloren ginge, einfach stehen zu bleiben und zu warten. Das erschwert seine Suche nach Elizabeth, die längst immer wieder anders heißt, ihrem „Freund" Postkarten schickt, aber vielleicht auch woanders Blaubeer-Kuchen isst.
Norah Jones, die als Jazz-Country-Sängerin ähnlich meinte: "Come Away with Me", hat nicht die Eleganz von Gong Li, der Göttin aus Wong Kar-Wais asiatischen Filmen. Das fällt besonders auf, wenn Rachel Weisz in einer kleineren Rolle ähnlich cool stilisiert wird. Doch der Seitenwechsel tut Wong Kar-Wai gut: Man erfreut sich an vielen bekannten Stilen, erlebt aber auch ganz neu dynamische Montagen, etwas schnellere Zeitlupen. Das gilt für Bild und Ton, den kreisenden Melodien von „Mood" gesellen sich Jones-Akkorde hinzu. Die bewegendsten Momente dieses wunderbaren Films treffen mit kurzem Flamenco-Klatschen oder mit einer Version (Nina Simone?) von Neil Youngs „Harvest Moon" auf: Because I am still in love with you ...