7.8.07
Angel - Ein Leben wie im Traum
Frankreich, Großbritannien, Belgien 2007 (Angel) Regie: François Ozon mit Romola Garai, Lucy Russell, Michael Fassbender 119 Min. FSK: ab 6
Was für ein Film! Welch grandioser Kitsch, der sich in der Hand eines Meisters zum wunderbaren Melodram wandelt. Die unglaubliche Lebensgeschichte der aus armen Verhältnissen zur Starautorin aufsteigenden Angel Deverell ist ein Filmkunststück und gleichzeitig Hommage an Douglas Sirk, Fassbinder und die anderen Großen des Melodrams.
Es ist unerträglich, dieses ungebildete aber dafür mächtig eingebildete Gör Angel Deverell (Romola Garai). Ähnlich wie die kleine Schwester in Ian McEwans "Abbitte" fühlt sie sich zur großen Literatur berufen. Alles andere, etwa der schwer schuftenden Mutter im Haushalt helfen, ist deshalb unter ihrer Würde. Doch dann erfüllt sich der Traum der kleinen Spinnerin: Ein Verleger in London druckt ihren unausgegorenen, infantilen Kitschroman und das Stückchen schlimmster Trivialliteratur wird zum Bestseller. Die Frau des Verlegers (Charlotte Rampling, Ozons Star aus "Swimming Pool") reagiert schockiert angesichts so viel besserwisserischer Dummheit.
Nun ergießen sich die Kitsch-Fantasien Angels ins richtige Leben. Sie kauft sich ein Märchenschloss und den Mann dazu, einen Maler aus verarmter Familie der Freundin. Die Mutter wird aus ihrem Dorfladen weggerissen und vereinsamt fortan im Luxus-Gemäuer. Ganze Handwerkerscharen überziehen das Haus mit üppiger Geschmacklosigkeit. Als Haustier kommt nur die edelste Hundrasse in Frage, wie leicht so ein Wesen austauschbar ist, zeigt sich erst später erschreckend.
Auf der Höhe des Erfolgs beginnt schon der dramatische Niedergang. Der Krieg raubt Angel den Mann und passt generell nicht ins Konzept der Träumerin, die meint: "Das Reale interessiert mich nicht, nur das Schöne." Der Eskapismus wandelt sich zum Wahnsinn, als Angel endlich einen Antikriegs-Roman schreibt, laufen ihr die Leserinnen davon. Das Ende ist bitter und grau.
Anfangs nach den Titeln in rosa kann man Angel kaum ertragen, so überzogen ist dieser Kostüm gewordene Kitschroman. Doch Ozon gelingt es, die Figur, die ebenso trivial wie ihre Geschichten ist, tragisch zu machen. Dieser Wandel ist das Kunststück in dem von Ausstattungs- und Kamera-Kunst nur so überlaufenden Film. Die Adaption eines Trivialromans der Schriftstellerin Elizabeth Taylor (1912 - 1975) aus dem Jahre 1957 wächst so über sich hinaus.
Um Francois Ozon reißen sich die großen Festivals: In Cannes liefen der Frauen-Thriller "Swimming Pool" und der ruhige "Die Zeit, die bleibt". In Venedig gab es "5x2", in Berlin die Fassbinder-Bearbeitung "Tropfen auf heiße Steine" und den Singfilm "8 Frauen". Bemerkenswert am französischen Wunderkind ist, dass bei einem gleich bleibenden Hang zum Kitsch doch immer wieder neue Ansätze und Stile gefunden werden. Ozons Kreativität zeigt sich wiedererkennbar immer wieder anders.