23.3.06
Premiere: "A verdade do gato"
Bitterer Rohrzucker und Palmenglanz
Bejubelte Filmpremiere in Lüttich
Von Günter H. Jekubzik
Lüttich. Wenn ein zweifacher Cannes-Sieger zur Premiere kommt und danach unbedingt den Regisseur sprechen will, war man sicher bei einem bemerkenswerten Filmereignis. Der junge Ostbelgier Jeremy Hamers stellte im Rahmen der 5. Biennale Lüttichs (5e biennale internationale de la photographie et des arts visuels de Liège) seine ästhetisch und menschlich bewegende Dokumentation "A verdade do gato" vor.
Die völlig ausverkaufte Premiere des Films im Lütticher Kinopalast Le Parc war ein wahrlich euregionales Ereignis: In Französisch, Deutsch und Niederländisch erklang die Begeisterung im Publikum. Regisseur Jeremy Hamers stammt aus Eupen und arbeitet in der Filmabteilung der Universität Lüttich. Er machte im Jahr 2004 erstmals auf sich aufmerksam, als er für ein Drehbuch den begehrten "Prix Kieslowski" erhielt und den Kurzfilm "Dehors" mit dem angesehenen französischen Produzenten Marin Karmitz (MK2) in Paris realisieren durfte. Nach dem Spielfilm ist nun auch die Dokumentation "A verdade do gato" konzentriert und exakt in der Ästhetik! Ein Verdienst der vertrauten Zusammenarbeit mit dem Kameramann und Ko-Produzenten Laurent Van Eijs, mit dem sich Hamers wortlos versteht. Ein Muss bei Dreharbeiten im ohrenbetäubenden Flammenmeer. Ohne Kommentar-Worte kommt auch die Dokumentation aus. Nur aus den Briefen des Saisonarbeiters Tiao, der am Tag vor ihrer Ankunft im Dorf Carmo do Rio Verde verstarb. "Ein paar Tropfen Jod auf seiner Schnittwunde hätten ihm das Leben gerettet," erzählt Hamers mit verständlichem Unverständnis im Gesicht.
Sein hochaktuelles und explosives Sujet: Bio-Ethanol ist sprichwörtlich in aller Munde und als "Treibstoff der Zukunft" auch in immer mehr Automotoren. Brasilien ist Trendsetter, ein großer Teil des Treibstoffverbrauchs basiert dort bereits auf erneuerbarer Energie aus Zuckerrohr, der angebliche "Bio-Treibstoff" wird sogar nach Schweden exportiert. Als Jeremy Hamers mit seinem Freund und Kameramann Laurent Van Eijs im letzten Jahr in der brasilianischen Provinz Goías die Zuckerrohr-Ernte beobachtete, ergab sich aber ein anderes Bild. Vor der Ernte werden die Felder abgefackelt. Riesige Flammenmeere wie bei "Apocalypse Now", ein pechschwarzer Himmel und Aschenregen passen nicht zum Image eines "grünen Treibstoffs". Doch es ist noch viel schlimmer, die Arbeitsbedingungen sind brutal und manchmal auch mörderisch...
"A verdade do gato" (Die Wahrheit der Katze) entstand mit Unterstützung der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und gezielt für die 5. Biennale Lüttichs (19.2. - 31.3.), die Brasilien als Themenschwerpunkt hat. Die Aufnahmen entstanden mit einer hochwertigen Digitalkamera und zeitigen eine beängstigende Wirkung der absurden Verbrennung eines zukünftigen Brennstoffs. Nach der aufreibenden Arbeit - noch in der Nacht vor der Premiere wurde umgeschnitten - plant Jeremy Hamers nun Vorführungen in Aachen und Maastricht. Neben der Begeisterung des Premieren-Publikums verdiente er sich einen besonderen Ritterschlag: Der Regisseur Jean-Pierre Dardenne, der mit seinem Bruder im letzten Jahr mit "L'enfant" und auch schon mit "Rosetta" die Goldene Palme von Cannes gewann, war unter den Zuschauern und suchte das Gespräch mit dem Regisseur.
Infos zum Film: http://www.trikolon-productions.com
Biennale: http://www.biennalephotoliege.com