30.1.06
Walk the Line
USA 2005 (Walk the Line) Regie: James Mangold mit Joaquin Phoenix, Reese Witherspoon, Ginnifer Goodwin 136 Min.
FSK ab 6
Johnny Cash war Legende schon bevor für ihn in den Neunziger Jahren mit den "American Recordings" eine dritte Karriere begann. Sein letztes, bewegend biographisches Album "The man comes around" mit dem zu Tränen rührenden Abschieds-Video zu "Hurt" machte den Country- und Rockmusiker sogar in MTV-Kreisen bekannt. In "Walk the Line", der bemerkenswerten Verfilmung seines Lebens, ereignet sich ein Vexiereffekt für die Ohren, denn die sensationell aufspielenden Joaquin Phoenix als Cash und Reese Witherspoon als dessen Frau June haben alle Songs selbst eingesungen. Faszinierend haarscharf am Original vorbei und trotzdem richtig gut!
Nun mag sich der Schauspieler Joaquin Phoenix so in die Rolle Cash eingelebt haben, dass er angeblich nachher eine Entziehungskur machen musste. Doch die Schwere eines bewegten Lebens, die beispielsweise Cashs Version von U2s "One" zur Sensation macht, hat Joaquins Stimme nicht. Dafür verkörpert er vortrefflich den von Schicksalsschlägen und Süchten gebrochenen Künstler.
Cash wuchs auf einer Farm in Arkansas unter dem harten und herzlosen Regime des Vaters auf. Als der bewunderte, ältere Bruder bei einem Unfall stirbt, fühlt sich Cash mitschuldig. Eine Last, an der er sein ganzes Leben schwer trägt. Der verbitterte Vater impft ihm dazu ein, der falsche Sohn sei gestorben. Während seiner Armeezeit in Deutschland schreibt Cash die ersten Lieder, doch er muss seine erste Frau Vivian Liberto und die Kinder ernähren, denkt nicht an eine musikalische Karriere. Aber die Musik lässt ihn nicht los und nach Anfangsschwierigkeiten landet er beim damals noch unbekannten Produzenten Sam Philips (Dallas Roberts). Auf ausgiebigen Touren mit Elvis Presley, Jerry Lee Lewis und Carl Perkins wächst sein Ruhm, aber auch die Unzufriedenheit. Die Ehe mit Vivian scheitert, die Liebe zu der Country-Collegin June Carter (Witherspoon) bleibt unbeantwortet.
Diese sehr romantische Geschichte, die sich um den Song "Jackson" dreht ("we've got married in a fever ...") ist eine der starken Stränge, die James Mangold aus Cashs Biographien herausleuchtet. Schon der Junge war fasziniert von der Stimme des Kinderstars June im Radio. Mit einem Heiratsantrag auf der Bühne überzeugt er sie nach jahrelangem Werben! Der Film endet 1968 mit der Heirat. Im richtigen Leben starb June Carter 2003. Weniger als vier Monate folgte ihr Cash mit der Gewissheit, sie wieder zu sehen. "We'll meet again" ist der letzte Song seines letzten Albums, am Ende des "Hurt"-Videos klappt er den Klavierdeckel zu.
Ebenso eindrucksvoll der Kampf des Musikers mit seinen Dämonen. Den Drogen und der lebenslangen Geringschätzung des Vaters. Dann ist "Walk the Line" auch ein großartiger Musikfilm, mitreißende Auftritte und eine mutige erzählerische Klammer, die vor Cash berühmten Auftritt im Gefängnis Folsom beginnt und erst dem rhythmischem Stampfen der Häftlinge nachgibt, als ein bewegender Teil des Lebens nacherzählt ist. Ein anderer "Man in Black" kann sagen: "Hello, I'm Johnny Cash!"