22.1.06

Eine andere Liga

Eine andere Liga
 
BRD 2005 (Eine andere Liga) Regie: Buket Alakus mit Karoline Herfurth, Ken Duken, Thierry van Werveke, Zarah Jane McKenzie, Nursel Köse, Verena Wolfien 98 Min.
 
Die junge Hayat (Karoline Herfurth) kickte beim elitären SC Elbe, bis die Ärzte nach einer Trittverletzung Brustkrebs feststellen. Ihr türkischer Vater Baba Can (Thierry van Werveke) meldet die Genesende fürsorglich vom Verein ab, doch Hayat findet in ihrer Verzweiflung nur beim Fußballspiel Hoffnung. Zwar schafft sie wegen der Tabletten kaum einen Sprint und die Mädels vom alten Verein wollen sie nicht mehr. Doch ein paar alternative Multikulti-Kickerinnen vom Hamburger FC Schanze sind viel lebendiger und haben dazu noch einen netten, jungen Trainer.
 
So schleicht sich Hayat heimlich zum Training, spült ihre Medizin im Klo runter und wehrt mit aller Kraft die ebenso witzigen wie romantischen Anträge des Trainers Toni (Ken Duken) ab. Nicht aus Desinteresse, nicht aus türkischem Ehrgefühl, denn Hayat ist eine emanzipierte, junge Frau. Aber mit der linken Brust wurde auch ihre ganze Sicherheit, ihr Selbstwertgefühl entfernt. Deshalb kann sie Toni nicht an sich ranlassen, obwohl sie eigentlich will ...
 
"Kick it like Armstrong" könnte dieser ebenso tolle, wie witzige und einfühlsame, zweite Kinofilm der Hamburger Regisseurin Buket Alakus ("Anam") auch heißen. Der Spaß und das Durchsetzungsvermögen von Power-Fußballfrauen einerseits. Dazu die engagierte Gesundungsgeschichte, der Kampf gegen den Krebs und seine Folgen in einer bewegenden aber keineswegs rührseligen Familiengeschichte. In wenigen Bildern zeigt Alakus Glück und Krankheit. Einige starke Szenen auf dem Platz, unter freiem Himmel lassen Hayats Leidenschaft beim Fußball miterleben. Die rauchende, kiffende, saufende Spaßtruppe vom FC Schanze verwechselt zwar rechts und links, fürchtet sich vor Kopfbällen oder Bällen überhaupt, vor allem die Torfrau. Doch es sind lebendige, echte Figuren mit Herz und Pep. Immer wieder landet der gute Humor Treffer, etwa wenn die ersten Gegner kleine Rotzbuben sind, welche die Damen trotzdem richtig nass machen. Ebenso trefflich inszeniert der heftige Schmerz, die Verzweiflung an der verlorenen Brust. Die dramatische Konfrontation im Ende wird für Diskussionen sorgen.
 
Karoline Herfurth ("Crazy", "Mädchen, Mädchen") überzeugt mit exzellenter Mimik und klasse Stellungsspiel. Auch Thierry van Werveke ("Knockin' on Heaven's Door") spielt grandios, den liebe- und sorgenvollen Papa. Es ist ein tolles Verhältnis, das Baba Can zu seiner Tochter hat. Und er trägt eine besondere Tragik, denn schon seine Frau hatte Krebs und starb daran. Allerdings sieht man in dem Holländer nie einen Türken, doch das macht letztlich nichts.
 
Die Verbindung von Sport und Krankheit ist gar nicht so weit hergeholt, wie erst gerade ein deutscher Spitzen-Ruderer zeigte, dessen Dopingprobe die Krebsvorsorgeuntersuche ersetzte. Und vor allem wie Lance Armstrong als gelb leuchtender Hoffnungsträger zeigt. Es ist an der Zeit, dass Krebs nicht mehr euphemistisch als "schwere Krankheit" verdrängt, sondern der Umgang damit auch über gute Filme wie "Eierdiebe", "Eine andere Liga" oder den spanischen Jugendfilm "Planta 4" thematisiert wird. Auch das gelingt Buket Alakus in ihrem tollen Sport-, Frauen-, Gesundheits- und Liebesfilm. Eine bemerkenswerte Regisseurin, wie schon bei "Anam", der Geschichte einer traditionellen Mutter, die wie eine Löwin um ihren drogenabhängigen Sohn kämpft, zu spüren war. Jetzt noch so ein außerordentlicher Film. Bis hin zur kleinen Perle des Abspanns, wenn Männer an der Abseits-Erklär-Falle scheitern, aber damit doch die Liebe als unerklärbar erkannt wird.