Japan 2011 (Kokuriko-Zaka Kara) Regie: Goro Miyazaki 88 Min. FSK: o.A.
Gewachsene Strukturen und Architekturen, die für Großevents wie Olympiaden oder Weltmeisterschaften weichen müssen, sind ein ganz aktuelles Thema. Davon erzählt die reizvolle Romanze „Der Mohnblumenberg" ausgerechnet in sehr schön nostalgischen Bildern: Im Jahr 1963 hisst die 17-jährige Umi jeden Morgen die gleichen Signalfahnen als Gruß an die Schiffe in der Bucht von Yokohama. Die Schülerin lebt mit Großmutter, Schwestern und Gästen in einem alten Herrenhaus. Eines Tages erhält sie in der Schülerzeitung eine poetische Antwort auf ihren Gruß und kommt dadurch mit dem jungen Aktivisten Shun zusammen, der für den Erhalt eines studentischen Clubhauses kämpft. Eine zarte Liebesgeschichte beginnt, die jedoch bald von familiären Verstrickungen getrübt wird. Wichtiger ist jedoch das gemeinsame Handeln für die Wahrung der traditionellen Kultur-Institution.
Regisseur Goro Miyazaki („Die Chroniken von Erdsee") ist Sohn des legendären Hayao Miyazaki („Ponyo", „Prinzessin Mononoke", „Chihiros Reise ins Zauberland", „Das wandelnde Schloss") und beide arbeiten für das berühmte Studio Ghibli. „Der Mohnblumenberg", nach einem Manga für Mädchen entstanden, ist jedoch ganz anders als beim Vater, der das Drehbuch schrieb, sehr „realistisch" gezeichnet. Der Zauber liegt hier in der Qualität liebevoller Zeichnungen und Details, nicht in Handlung und märchenhaften Figuren. Was nicht weniger reizvoll ist. Nur manchmal scheinen die ganz enthusiastischen Gesichter der Menschen sich in Tierwesen zu wandeln, wie sie es immer beim Klassiker „Pom Poko" (auch nach einer Idee des Seniors) taten.
„Der Mohnblumenberg" legt seine Figuren mit klarem Strich und trotzdem mit erstaunlich viel Charakter an. Wieder einmal muss der westliche Zuschauer erkennen, dies ist kein Zeichentrickfilm „für die Kleinen", sondern ein richtig großer Film, der einer „richtigen" Romanze in nichts nachsteht. Und in Nostalgie schwelgt. Eine im Hintergrund festgehaltene, ungemein sehenswerte Vergangenheit, die auch von der bevorstehenden Olympiade und modernen Zeiten bedroht ist. Passend dazu der Film-Score mit kurzen, jazzigen Melodien und vor allem Kyū Sakamotos Hit „Sukiyaki" aus genau dieser Zeit, der es als einziges japanisches Lied zum Nr. 1 in den USA schaffte. Zwar passt zum Zeit-Kolorit auch die traditionelle, fast ganz auf Kochen und Putzen reduzierte Frauenrolle Umis. Aber letztlich ist sie es, die das Clubhaus rettet: Der im positiven konservative Geist dahinter lautet, das Alte zu pflegen, um es mit der Erinnerung zu erhalten.