USA 2013 (Blue Jasmine) Regie: Woody Allen mit Cate Blanchett, Alec Baldwin, Sally Hawkins, Peter Sarsgaard 98 Min. FSK ab 6
Ja, zum Song „Blue Moon" haben sie sich damals kennengelernt, sie und ihr Hal. Hal sei ein besonderer Mann, das habe sie direkt gemerkt. Und auch ihre Ehe war besonders. Sie, Jasmine, hätte ja viel zu tun gehabt mit der Wohltätigkeit. Bis, ja bis dann ... Aber nein, davon lasse sie sich nicht unterkriegen ... Ohne Punkt und Komma kann Jasmine (Cate Blanchett) ihr Leben erzählen, in der Ersten Klasse des Fliegers von New York nach San Francisco, am Gepäckband, im Taxi und auch noch alleine auf der Straße vor der Wohnung der Schwester Ginger (Sally Hawkins).
Sie ist schon eine besondere Person, diese Jasmine. Wie das Luxus-Weibchen im teuren Kostümchen, mit den Louis Vuitton-Koffern bei der lange vernachlässigten Schwester aufschlägt, hat komischen Stil. Jasmine ist nach der Verhaftung und dem Selbstmord ihres betrügerischen Mannes Hal (Alec Baldwin) im Knast völlig pleite, aber fliegt immer noch erste Klasse.
Ihre Panikzustände versucht sie mit Pillen und Alkohol zu unterdrücken. Pläne für ein neues Leben gibt es auch: Dekorateurin möchte sie werden, die eigene Luxus-Wohnung hat sie schließlich sehr geschmackvoll eingerichtet. Einen Online-Kursus gäbe es auch, nur dafür muss Jasmine erst mal die Bedienung eines Computers erlernen. Und als Sprechstunden-Hilfe bei einem Zahnarzt das Geld dafür verdienen. Vor allem die Begegnungen mit gewöhnlichen Menschen schafft die zerrüttete Frau zusätzlich. Zu denen gehört auch die gänzlich verschiedene Schwester Ginger. Eigentlich sie sind nicht mal Halbschwestern, beide wurden adoptiert. Wie eine Elfen-Fee im Ork-Land muss die Edel-Frau nun in der kleinen Wohnung den Krach von Gingers Kindern und den Kumpels ihres neuen, simplen Freundes Chili (Bobby Cannavale) ertragen. Zwischendurch schaut auch noch Gingers bodenständiger Ex-Mann Augie (Andrew Dice Clay) vorbei und beschwert sich, dass Hal und Ginger damals die armen Verwandten mit einem betrügerischen Schneeball-System um einen großen Lotto-Gewinn brachten.
Ganz selten ist die Tragikomödie „Blue Jasmine" einfach nur komisch. Das Vergnügen, dieser seltsamen Frau bei den Selbstgesprächen zuzusehen und -hören, wird schleichend traurig und dann sehr traurig. Stimmt, das konnte Woody Allen auch, und das kann er immer noch ganz exzellent. Selbstverständlich ist da wieder die erlesene Besetzung, wobei die Rollen selten so gut passten wie diesmal bei der feinen, edlen Cate Blanchett, bekannt als Galadriel aus „Herr der Ringe", als Elisabeth I. aus Shekhar Kapurs Historien-Epos, und der lauten, ungehobelten Sally Hawkins, vor allem bekannt aus „We Want Sex" und als neurotisch fröhliche Poppy in „Happy-Go-Lucky". Die Suche nach dem Glück und die Erwartung einer (un-) moralischen Pointe laufen immer mit, beim Beobachten der grundverschiedenen Schwestern: Gibt sich Ginger wirklich mit zu wenig und mit zu beschränkten Männern zufrieden? Als sie und auch Jasmine einen neuen Partner finden, werden die Karten neu gemischt. Doch die große Überraschung und das niederschmetternde, ungeschminkte Ende eines Selbstbetruges kommen aus einer anderen Richtung. Aus den Erinnerungen an die Zeit mit dem Ex Hal, in die sich Jasmine immer wieder verliert.
Nachdem Woody Allen in den letzten Jahren mit flotten Komödien und doppelbödigen Dramen begeisterte, kehrt er mit „Blue Jasmine" zu einem stillen, genauen und berührenden Porträt zurück. Die Finanzspekulationen von Hal als Reflex auf die rücksichtlosen Zockereien der Banker und das Wegschauen Jasmines dabei zeigen, dass dieser Allen von Heute ist. Der Ehebruch mit einem sehr jungen Au pair, der dem Regisseur selbst mal passierte, zeigt, dass ihm der bissige Humor nicht ausgegangen ist.