USA, Niederlande, BRD, Italien 2011 Regie: Jennifer Fox 100 Min.
„Vater, Vater, warum hast du mich verlassen?" So messianisch müsste die Klage dieses Films klingen - wären wir nicht auf dem Gebiet des Buddhismus und in Italien. Deshalb spielt die Tonspur „Via, via" (dt: Weg, weg) von Paulo Conte und auch das verstehen wir: Yeshi Silvano Namkhais Vater ist der berühmte buddhistische Lehrmeister Namkhai Norbu Rinpoche, der seit Jahrzehnten die Welt bereist, um seinen Glauben zu verbreiten und den Menschen zu helfen. Nur zuhause ist er nicht so oft. Diese Geschichte mag häufiger vorkommen, doch Chögyal Namkhai Norbu Rinpoche gilt als der führende Meister der tibetisch-buddhistischen Dzogchen-Gemeinschaft. (Dzogchen, die „spirituelle Essenz aller buddhistischen Lehren".) Geboren 1938 in Osttibet floh er 1960 vor der chinesischen Verfolgung nach Italien und gründete im Laufe der Jahrzehnte weltweit neue Zentren der Dzogchen-Gemeinschaft.
Khyentse Yeshe (Yeshi Silvano Namkhai), Sohn und Schüler von Chögyal Namkhai Norbu hingegen wurde in Italien 1970 geboren. Er erhielt eine christliche und buddhistische Erziehung, studierte Philosophie und Informatik und arbeitete nach seinem Studium im Bereich der modernen Technologien. Obwohl auch er als Reinkarnation eines berühmten buddhistischen Lehrers erkannt wurde, der noch dazu geliebter Onkel seines Vaters war, weigert er sich, diese Tradition fortzuführen. Wir sehen in den ersten Bildern einen rebellischen Studenten, der die elterliche Wohnung verlässt, aber vor allem geliebt werden will. Als Sohn, nicht als Schüler und nicht als Wiedergeburt seines Großonkels. Doch der berühmte Vater, so unkonventionell und pragmatisch er als freundlicher Lehrer für andere war, verhielt sich wie ein Meister nicht wie ein Vater.
So sehen wir Yeshi 13 Jahre später mit einem „normalen italienischen Familienleben". Während der Vater sehr vertraut den Dalai Lama im traumhaft gelegenen Tempel im toskanischen Arcidosso empfängt, genießt der scheinbar verlorene Sohn seine Fahrten in luxuriösen Autos. Erst später nutzte er seine häufigen Autofahrten für Meditationen und der Film hält in größeren Schritten eine Wandlung fest: Beeinflusst auch durch eine Krebs-Erkrankung des Vaters hat er sich schweren Herzens entschieden, nicht mehr Sohn sondern Schüler zu sein.
Die Regisseurin Jennifer Fox hatte bereits einige anerkannte Dokumentarfilme gemacht, als sie 1985 in einer Auszeit vom Filmemachen als Sekretärin von Namkhai Norbu Rinpoche mit ihm reiste. Sie filmte aber weiter und so entstand über 20 Jahre das sehr intime Material für diesen Film. Obwohl Fox dem porträtierten Meister sehr nahe steht, ist „My Reincarnation" keine der distanzlosen Huldigungen geistiger Größen. Aber auch keineswegs eine Demontage eines lieblosen Vaters. Vor allem in dessen Krankheit sieht man beide Seiten, erkennt den in seiner enorm selbstlosen Hilfsbereitschaft für sich selbst hilflosen Menschen, mit sehr menschlichem Zweifel und Unruhe angesichts des Todes.