Südkorea 2011 (Arirang) Regie: KIM Ki-duk mit KIM Ki-duk 100 Min. OmU
Der 1960 geborene Süd-Koreaner Kim Ki-Duk realisierte seit seinem Debüt „Crocodile" 1996 in 13 Jahren unglaubliche 15 Filme. Bei seinem letzten, „Dream", wäre eine Schauspielerin bei einer Selbstmordszene fast tatsächlich gestorben, hätte sie der Regisseur nicht im letzten Moment aus der Schlinge um ihren Hals befreit. Dieses Ereignis traumatisierte ihn. Auf den Festivals bemerkte man das Fehlen neuer Filme von ihm. Die entstandenen Gerüchte erhielten mit seiner Wiederkehr nach drei Jahren bei Cannes 2011 eine überraschende und bewegende Antwort: „Arirang" zeigt Kim Ki-Duk zurückgezogen in einer Hütte und in der Hütte ein Zelt, damit er ohne vernünftige Heizung unter winterlichen Bedingungen überleben kann. Es ist ein extrem zurückgezogenes Leben, bei dem sich der Regisseur selbst, völlig ohne Team, aufnimmt. „Ich kann gerade keine Filme machen. Also filme ich mich selbst." Er filmt sich beim Essen machen, beim Heizen, beim unermüdlichen Bau einer selbst entwickelten Expresso-Maschine. Und - dies ist ein Kunstwerk, kein banales Filmtagebuch - auf einer nächsten Ebene, reflektierend vor seinen eigenen Aufnahmen, im Selbstgespräch mit sich auf den Bildschirmen. Denn obwohl die Lebens- mehr als die Schaffenskrise zutiefst erschreckend wirkt, „Arirang" ist auch immer wieder komisch. So dass der Gedanke nicht ausbleibt, dies alles könnte vorgespiegelt sein. Aber er verfliegt auch schnell wieder, spätestens wenn dieser Mann, der die Schründe an seinen Fersen in Großaufnahme zeigt, hemmungslos vor der Kamera weint. Nicht weint, heult, jammert, schreit, bis sein Schmerz einem ins Mark fährt. Der stark besoffene Gesang des titelgebenden koreanischen Schmachtliedes Arirang bleibt nach dem Film unauslöschlich im Gedächtnis. Dass Kim Ki-Duk im Schnitt den selbst auferlegten Sisyphos-Gang des jungen Mönches aus „Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling" mit seinem eigenen Leidensweg verbindet, führt zu einer gewaltigen, ganz großen und tief bewegenden Szene. Bitter und wieder so glaubwürdig, dass man fast die Polizei rufen möchte, sind eingestreute Spielszenen, wie er sich an verräterischen Mitarbeitern rächt, die ihm ein Drehbuch geklaut haben. Mit einer selbst gebauten Pistole, wohlgemerkt. Wie gesagt, „Arirang" ist nicht das auf digitalen Datenträger gespeicherte Selbstmitleid eines Depressiven, es ist - ausgehend von ganz banalen Beobachtungen - ein großes Werk! Wer den zurückgezogenen Koreaner bei der Premiere in Cannes erlebte, kann ihm nur wünschen, dass er bald wieder einen neuen Film macht. Nicht für das Weltkino sondern für sich selbst.
Fellini hatte sein „8 1/2". Kim Ki-Duk mit „Arirang" sein „15 1/2". Nicht nur die Frequenz, mit der die Meisterwerke des gefeierten Süd-Koreaners nach „Frühling, Sommer, Herbst, Winter... und Frühling" auf die internationalen Festivals kamen, unterscheidet sich von der Epoche Fellinis. Auch die Art des Filmemachens hat sich geändert. „Arirang" ist extrem persönlich und trotzdem als Kunstwerk geformt. Ein radikales Eingeständnis der eigenen Depression und der Weg über einfachstes Handwerk zurück zum Film.