16.1.12

Faust (2011)

Russland 2011 (Faust) Regie: Alexander Sokurow mit Johannes Zeiler, Anton Adassinski, Isolda Dychauk 134 Min. FSK ab 16

„Gut gewählt Löwe" konnte man Venedig 2011, nachdem der Hauptpreis an Alexander Sokurow und seinen „Faust" ging. Der russische Kulturmensch hielt seine elegischen Bilder etwas zurück und schwelgt im Faust-Stoff, der selbstverständlich eine ganz eigenwillige Interpretation erfährt.

Von Murnaus Stummfilm-Klassiker aus 1926 mit Emil Jannings über „Jan Svankmajer's Faust" als Puppenspiel bis Fura del Baus' modernem „Faust 5.0" wurde Goethes Theaterstück immer wieder verfilmt. Der Russe, oder genauer: Petersburger Alexander Sokurow integriert den Klassiker in sein eigenes ästhetisches Universum, macht ihn zum letzten Teil seiner 1999 begonnenen Tetralogie „Moloch Tier Sonne". Auf gut Deutsch gespielt, von mittelalterlichen Gewölben eingeengt, sucht Faust (Johannes Zeiler) zwar nach der Seele des Menschen, braucht aber vor allem Geld. Sein Vater, ein Quacksalber, will dem Denker nichts geben, beim Pfandleiher trifft der verarmte Forscher den Teufel. Sehr frei nach Goethe geht es ins Wirtshaus (von Lars Rudolph geleitet), danach wird Gretchen verführt. Verse gibt es immer nur, wenn ein Stückchen Goethe zitiert wird. Dafür einen Haufen zusätzlicher Figuren, unter anderem Hanna Schygulla als Lustweib, Georg Friedrich als Wagner, Florian Brückner als Valentin und Andreas Schmidt („Im Sommer vorm Balkon") als Valentins Freund.

Sokurows Bilder sind wie oft bei ihm farblich entsättigt und weichgezeichnet. Die künstlich flachen Räume wirken wie über einen verzerrenden Spiegel aufgenommen. Das ist kein neuer Stoff für Literaturkurse, diese Variante wirkt für Fans eines popmodernen „Goethe!" vorgestrig. Altmodisches Kunstkino könnte man schimpfen, aber Kunst in perfekter Form. Und dann gibt es noch das ungewöhnliche Ende, in dem Faust seinen Mephisto namens Maurice Müller in einer Landschaft aus Lava und Geysiren steinigt, um in eisigen Höhen die Luft der Freiheit zu schmecken. Die Seele ist zwar weg, aber: „Natur und Geist, mehr braucht man nicht, um auf freiem Grund ein freies Volk zu erschaffen." Man darf sich Faust als glücklichen Menschen vorstellen!